108 SALAT, JAKOB:
Auch die Aufklärung hat ihre Gefahren! : ein Versuch zum Behufe der höhern Kultur / von J. Salat. – München : Lindauer, 1801. – VIII, 459 S.
Signatur: 1321


Als Jakob Salat (1766 - 1851), Theologe und später Philosoph in München und Landshut, noch während der Ausübung seines priesterlichen Amtes gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen lebhaften Austausch mit Vertretern verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen pflegte, geriet er bei den kirchlichen Behörden schnell in den Verdacht, aufklärerischen Idealen Vorschub leisten zu wollen. Dieser Verdacht erhärtete sich noch wegen Salats sehr fortschrittlicher Verwendung der deutschen Muttersprache in liturgischen Zusammenhängen. Zwar blieb das schnell eingeleitete Inquisitionsverfahren ohne Resultat. Es warf aber doch dunkle Schatten auf den weiteren Lebensweg Salats. Er selbst schrieb darüber: »Wie oft entrang sich mir in dieser Zeit die Äußerung: in einem Lande und Stande zu leben, wo der Mensch sein Menschenrecht verloren, wo er nie vor einem Überfall sicher ist, welch ein Los! Fürwahr der Geistesdruck ist für den gebildeten Gelehrten weit empfindlicher, als die Despotie, die den Körper trifft.«
Angesichts dieser mentalen Situation musste es Salat als eine Befreiung erlebt haben, 1802 dem Ruf als Professor für Moral- und Pastoraltheologie an das Lyceum nach München folgen zu können. In den folgenden Jahren konnte er sich ganz der Wissenschaft widmen. Als das Lyceum geschlossen wurde, ging er nach Landshut, um dort Moral- und Religionsphilosophie zu lehren. Er hatte sich zunächst der Denkrichtung seines früheren Lehrers Johann Michael Sailer angeschlossen und war in engen Kontakt zu dem Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, Friedrich Heinrich Jacobi, getreten, dessen philosophisches Denken er ebenso adaptierte. Leidenschaftlich vertrat er seine philosophischen Ansichten und verwickelte sich dabei offenbar in manchen Streit mit seinen Kollegen. Vielleicht war dies auch der Grund dafür, dass er 1827 nach der Verlegung der Universität zu Landshut nach München als Privatgelehrter in Landshut blieb. Bis zu seinem Tod im Jahr 1851 war er dort literarisch tätig.
Zu seinem Werk gehört auch das Buch mit dem Titel »Auch die Aufklärung hat ihre Gefahren! Ein Versuch zum Behufe der höheren Kultur«, das wenige Jahre vor der Berufung Salats (erstmals 1797) im Verlag Joseph Lindauer in München erschienen ist. Ziel der Schrift ist es, den Selbststand des Menschen auf Grundlage des Vernunftgebrauches zu befördern. Dabei geht Salat davon aus, dass Aufklärung im Sinne einer Befreiung des Geistes von fremdbestimmtem Denken zugleich auch »Wille der Gottheit« ist. Hier klingt an, dass es Salat um die Vermittlung zwischen Glaube und Vernunft geht.

Der Begriff Aufklärung beinhaltet nach Salat zwei wesentliche Momente: Einmal meint er die Aufgeklärtheit im absoluten Sinne, die innergeschichtlich nicht erreicht werden kann, und auf der anderen Seite die »Operation des Aufklärens« als Weg mit der Gefahr des Irrtums und Scheiterns. Eine andere Gefahr bestehe – so Salat – darin, dass sich Unzufriedenheit bei demjenigen Aufklärer einstellt, der zwar Mängel, Irrtümer, Ungerechtigkeiten und Vorurteile erkennt, sie aber vergeblich zu bekämpfen versucht. Genau darin scheint das Problem Salats zu liegen, der stets als ein Wanderer zwischen den Welten angesehen wurde. Obwohl er sich davor zu schützen wusste, als aufklärerischer Selbstdenker der Überheblichkeit oder dem universalen Zweifel zu
verfallen, geriet er immer wieder zwischen die Fronten und wurde von den kirchlichen Autoritäten als ein Feind der Kirche und des Offenbarungsglaubens gesehen.
Was war Salats Problem? In seiner Zeit gab es einen polemisch gesteigerten Gegensatz zwischen Vernunft und Offenbarung. Salat beabsichtigte in dieser Kontroverse, die Theologie unter Betonung ihrer Eigenständigkeit in die Abhängigkeit der Philosophie zu stellen. Bei den auf Restauration bedachten Zeitgenossen musste dies Gefahr für die Kirche und ihre Interessen bedeuten. Auch wenn Salat eine philosophische Theologie anstrebte, die sich nur schwer mit der Eigenart des christlichen Glaubens vereinen ließ, so kam es ihm doch auf etwas Unverzichtbares an: Der christliche Glaube muss vor dem Forum der Vernunft bestehen können. Insofern Salat in seiner Kritik am Bestehenden zu mancher Übertreibung neigte, kann man ihn als einen zeitgemäßen Denker bezeichnen. Der im 17. Jahrhundert wirkmächtige wissenschafts-, philosophie- und vernunftfeindliche Jansenismus hatte zusammen mit der von Descartes eingeleiteten Spaltung von Glaube und Vernunft einen deistischen Vernunftglauben heraufbeschworen, der sich von jeder positiven Religion lossagte. Freidenker wie Thomas Hobbes oder Pierre Bayle hatten daraus schließlich den atheistischen Materialismus vorbereitet, dessen mechanistische Naturwissenschaftler sich als gottlos verstanden. Religion konnte sich damit nicht mehr als Wissenschaft präsentieren. Auch wenn zur Zeit Salats die These vom Tod Gottes, wie sie später bei Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Friedrich Nietzsche begegnete, noch nicht viele Gelehrte erreicht hatte, so verspürte er doch schon ihre aufkommende Bedeutung. So lehnt er in seinen Schriften durchgängig den Materialismus ab und versucht das Ideal einer höheren Bildung als Zusammenspiel zwischen Vernunft und Glaube aufzuzeigen. Den Weg dazu sieht Salat in der autonomen denkerischen Arbeit und versteht sich als Mittelsmann, der die Philosophie zur Verteidigung des Christentums einsetzen will. Dabei jedoch gerät er zwischen die Fronten eines noch nicht genau umschriebenen Rationalismus und eines undifferenzierten Supernaturalismus. Weil er sich keiner Gruppe alleine anschließen will, rechnet man ihn der jeweiligen gegnerischen Linie zu, und begegnet seinem voluminösen literarischen Werk mit Polemik. Seit seiner Pensionierung 1826 kämpfte er vergeblich um eine gerechte Einschätzung seines Werkes und starb 1851 in Einsamkeit.
M.M.