Es handelt sich bei den Plänen und Zeichnungen um außerordentlich wertvolle Dokumente, denn sie vermitteln konkrete Einblicke in die Strukturen des Gartens in seinen verschiedenen Entwicklungsphasen. Sie geben Auskunft über Zahl und Lage von Gewächs- und Betriebshäusern, über die Anordnung der Schaubeete, des Arboretums und insbesondere über den für die "systematische Partie" genutzten Teil des Gartens. Letztere war immer von hohem wissenschaftlichen Interesse, denn Struktur und der Aufbau der Systemanlage spiegeln in eindrucksvoller Weise den jeweiligen Wissensstand der Systematischen Botanik wider.
Seit jeher war es ein zentrales Anliegen des Botanischen Gartens, ein überschaubares Ordnungsgefüge für die große Formenfülle der Blütenpflanzen zu schaffen und in einer Systemanlage der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wie der Plan von 1835 zeigt, war diese anfangs sehr einfach und dürfte nach dem Linne'schen System ausgerichtet gewesen sein, ein künstliches System, das auf wenigen willkürlich gewählten Einzelmerkmalen der Pflanzen basierte. Es ist anzunehmen, dass in der Entstehungszeit des Gartens das System stark geprägt war von der Linnéschen Lehre, denn Professor Wernekinck, der Begründer des Botanischen Gartens in Münster, hat in seinen Vorlesungen jedenfalls dieses System zugrunde gelegt. Der 1835 von dem Gärtner Bernhard Revermann erstellte Gartenplan zeigt im östlichen Teil einfache viereckige Beete, die als Anlagen nach dem System von Linné interpretiert werden können. Der Plan ist aber auch deshalb besonders wertvoll, weil nachträglich rundliche mit Zahlen versehene Beete unterschiedlicher Größe eingezeichnet wurden. Diese Bearbeitung, sicher ein Plan für eine vorgesehene Neugestaltung der Systemanlage, ist natürlich durch die behutsame und sensible Restaurierung erhalten geblieben.
Diese Neuplanung zeigt doch sehr eindrucksvoll, dass in der Systematischen Botanik neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu dramatischen Veränderungen im Aufbau des System der Blütenpflanzen geführt haben. Ausschlaggebend für eine grundsätzliche Neukonzeption waren die Berücksichtigung vieler Merkmale und die Erkenntnis über die Veränderlichkeit der Arten (Charles Darwin). So entstanden phylogenetische Systeme. Wegen verschiedener Merkmalsüberschneidungen konnten ähnliche Gattungen zu Familien und ähnliche Familien zu Ordnungen zusammengefasst werden. Diese Gruppen sollten als selbständige Beete im Garten erscheinen, was in dem Revermann-Plan durch die Überarbeitung (Autor nicht bekannt) angedeutet und in einem später gefertigten, ebenfalls restaurierten Plan des Gartens außerordentlich anschaulich dargestellt ist.
In einer Skizze zur Umlegung der Staudenquartiere von 1882 wurde die Überarbeitung des Systems und damit eine Anpassung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse weiter fortgesetzt. Man erkennt in beiden Plänen eine starke Gliederung der Systemanlage mit zahlreichen aufgeführten Familien, die in einer Tabelle rechts namentlich genannt werden bzw. direkt in die markierten Bereiche eingetragen sind. Sicher haben bei der Auswahl nicht nur wissenschaftliche, sondern auch gärtnerische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle gespielt, denn berücksichtigt wurden typische und kultivierbare Vertreter der einzelnen Pflanzenfamilien. Durch die Größe der verschiedenen Beete sollte die Artenzahl der jeweiligen Gruppen zum Ausdruck gebracht werden.
Die vorgestellten Pläne vermitteln in anschaulicher Weise und in einer sehr ansprechenden ästhetischen Ausführung, mit der für den Garten typischen von Ost nach West gerichteten Pfeilform ein Stück Geschichte des Botanischen Gartens zu Münster. Sie zeigen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse immer wieder für Neuordnungen und Umgestaltungen führten. Dieses Anliegen hat für den Garten bis heute uneingeschränkte Gültigkeit. Es ist sehr erfreulich, dass Mittel bereitgestellt werden konnten, um ein wichtiges Kulturgut zu retten und für zukünftige Forschungsprojekte mit unterschiedlichen Zielzetzungen zu erhalten. Sie sind jederzeit für wissenschaftliche Arbeiten zugänglich. Sie sind zudem eine attraktive Erweiterung zu den bereits in den Beständen der ULB befindlichen kolorierten Pflanzendarstellungen von Franz Wernekinck, dem ersten Leiter des Botanischen Gartens.
Pressemitteilung upm