Große Oper für den kleinen Rahmen

Notenhandschrift "Betrübtes Herz, zerbrich" (Original)
Originale Fassung der Arie "Betrübtes Herz, zerbrich" aus der Oper "Scipio africanus" von Carl Heinrich Graun in c-Moll für Tenor, Solo-Oboe und Orchester
© ULB

Wie andernorts im 18. Jahrhundert liebte man auch am kleinen Hof der Reichsgrafen zu Bentheim-Tecklenburg in Hohenlimburg und Rheda die Oper, wie sie in den Metropolen und bedeutenden Residenzstädten des Reiches in den großen Opernhäusern gespielt wurde. In Ermangelung eines entsprechend großen Sänger- und Instrumentalensembles oder gar einer eigenen Bühne wurde deshalb die Musik vieler Opern, die man aus eigenem Erleben oder auch nur vom Hörensagen kannte und gerne erneut hören wollte, für die gräfliche Hofkapelle auszugsweise abgeschrieben und – wo nötig – für kleine Ensembles bearbeitet. Auf diese Weise konnte man trotz vergleichsweise bescheidener musikalischer Verhältnisse die „große Oper im kleinen Rahmen“ immer wieder erleben. Viele dieser Bearbeitungen haben sich in der Fürstlich zu Bentheim-Tecklenburgischen Musikbibliothek Rheda, die als Dauerleihgabe in der ULB Münster aufbewahrt wird, erhalten und bieten einen schillernden Querschnitt durch ein seinerzeit beliebtes, heute aber zu Unrecht nahezu vergessenes Repertoire.

Notenhandschrift "Betrübtes Herz, zerbrich" (transponiert)
Nach g-Moll transponierte Bearbeitung der Arie "Betrübtes Herz, zerbrich" für ein kleineres Ensemble (Sopran, Violine, Basso continuo)
© ULB

Im sechsten Papier.Klänge-Konzert am 3. Mai werden von der Sopranistin Sonja Grevenbrock und dem Ensemble con moto drei derartige musikalische Perlen nach 250 Jahren erneut der Öffentlichkeit präsentiert. Den Auftakt bildet – nach einer kurzen Ouvertüre des Mailänder Komponisten Antonio Brioschi – die dramatische Kantate A quel leggiadro volto des aus Lissabon stammenden und dort als Organist der königlichen Kapelle wirkenden Francisco António de Almeida, der zu den bedeutendsten portugiesischen Komponisten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gezählt wird. Besonders große Beliebtheit am reichsgräflichen Hof in Hohenlimburg und Rheda genoss offenbar der Kapellmeister Friedrichs des Großen, Carl Heinrich Graun, von dem in der Musikbibliothek Rheda über 50 Bearbeitungen und Auszüge aus insgesamt 20 Opern überliefert sind. Aus der 1732, noch in Braunschweig/Wolfenbüttel entstandenen Oper Scipio africanus steht im Papier.Klänge-Konzert die Arie Betrübtes Herz, zerbrich auf dem Programm, die durch eine ausdrucksstarke melodische Verbindung der Gesangsstimme mit einer Solovioline besticht. Den Abschluss dieses kleinen Spazierganges durch die Welt der großen Oper bildet die Arie Confusa, smarrita spiegarti vorrei des in Neapel geborenen und 1752 an den Königshof nach Lissabon berufenen Komponisten Davide Perez. Wie Grauns Libretto zu Scipio africanus entstammt auch der dieser Arie zugrundliegende Text der für die Oper umgedichteten und umgedeuteten antiken Historie: In Catone in Utica wird die letzte, schicksalhafte Begegnung des autokratischen Diktators Caesar mit seinem streng republikanisch gesinnten Widersacher Cato durch Pietro Metastasio, einen der bedeutendsten Librettisten des 18. Jahrhunderts, wirksam für die Bühne aufbereitet, indem Macht und Politik geschickt mit Liebe und Intrige vermischt werden – eine perfekte Vorlage für einen Komponisten wie Perez, der in dieser Arie die Affekte Angst und Verzweiflung in begeisternde Musik umzusetzen versteht.

Termin: Dienstag, 3. Mai 2016, 18 Uhr c.t.

Ort: ULB Münster, Galerie

Ausführende: Sonja Grevenbrock (Sopran), Ensemble con moto

Links: www.sonjagrevenbrock.de | www.ensemble-con-moto.de | www.papierklaenge.de