Geschichte und Bestand

Die Pfarrbibliothek St. Heribert in Hallenberg

Zum Bestand der Pfarrbibliothek St. Heribert in Hallenberg zählen insgesamt 523 Bände. Den größten Anteil bilden Drucke aus dem 18. (44%) und aus dem 19. Jahrhundert (31%). Etwa 8% stammen aus dem 16. Jh. und ca. 16% aus dem 17. Jh. Nur wenige Bände enthalten Drucke des 20. Jahrhunders (ca. 1%). Der Anteil von Drucken aus dem 15. Jahrhundert umfaßt ebenfalls ca. 1%; darunter befindet sich ein bemerkenswerter Sammelband mit fünf Inkunabeln in einem gut erhaltenen zeitgenössischen Einband.

Etwa 70% des Bestandes bilden theologische Titel. Hier finden sich unter anderem Werke zur Exegese, Dogmatik, Pastoraltheologie, Liturgik, Katechetik, zum kanonischen Recht sowie zur Kirchengeschichte. Den größten Teil macht aber die Sachgruppe homiletische Werke (also Predigtlehren und –sammlungen) aus, daneben finden sich zahlreiche Titel zur Askese und Erbauungsliteratur.

Neben den theologischen Werken verdienen die nichttheologischen, "profanen" Werke besondere Aufmerksamkeit, sind sie doch in Hallenberg, anders als in anderen Pfarrbibliotheken, mit 30% des Gesamtbestandes relativ stark vertreten: Jeweils ein Drittel des nichttheologischen Bestandes entfällt auf die Werke zur Geschichte und Philosophie, der Rest verteilt sich auf juristische, ökonomisch-technische und naturwissenschaftliche Literatur.

Ein Exkurs: Zur Geschiche der Pfarrkirche St. Heribert und ihrer "Bibliothek"

Die Gründung der Stadt und Burg Hallenberg erfolgte auf Betreiben des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden (1238–1261) durch dessen "Marschall von Westfalen" Arnold von Hochstaden um das Jahr 1250. Die Pfarrkirche, zunächst unter dem Patrozinium der Heiligen Nikolaus und Katharina, wurde spätestens 1287 fertig gestellt. Im Laufe der folgenden beiden Jahrhunderte erfolgten z. T. umfangreiche Stiftungen zugunsten der Kirche. Vermutlich seit 1346 ist der frühere Kölner Erzbischof Heribert (um 970–1021) Namenspatron. Beim Stadtbrand 1519 beschädigt, wurde die Pfarrkirche danach wieder hergestellt und vor allem durch die 1558 angebrachte Renaissance-Ausmalung beträchtlich verschönert. 1568 wurde Hallenberg im Zuge der Reformation protestantisch-lutherisch, trat 1583/84 kurzzeitig zum Kalvinismus über. Nach den Truchsessischen Wirren und den Verwüstungen des 30jährigen Krieges diente die Hallenberger Pfarrkirche – in bewusster kontroverstheologischer Abgrenzung vom benachbarten protestantischen Hessen – als Symbol eines gefestigten innerkatholischen Lebens im Sauerland: der heute noch erhaltene barocke Hochaltar aus dem Jahre 1666 gilt als sichtbarstes Zeichen katholischer Erneuerung. 1816 kam Hallenberg nach einer hessischen Übergangszeit zum Königreich Preußen und im Jahre 1821 im Zuge der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in den preußischen Gebieten mit dem Herzogtum Westfalen zum Bistum Paderborn. 1826 wurde die Stadt mit den Schultheißenbezirken Braunshausen, Hesborn, Liesen und Züschen zur Landbürgermeisterei Hallenberg zusammengeschlossen.
Die vor einigen Jahren (wieder) aufgefundene historische Pfarrbibliothek ist doppelt so umfangreich wie die wertvolle Sammlung der benachbarten Kirchengemeinde St.Goar in Hesborn. Grundstock der Bibliothek ist das "Synesische Benefizium", eine Stiftung des Johann(es) Daniel Synesius. Synesius entstammte einer Hallenberger Familie und war im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts als Pfarrer in Obernau bei Aschaffenburg angestellt.

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Die Synesische Vikarie dürfte - wie Stiftungen anderer Honoratioren des Ortes - in erster Linie pekuniärer Art gewesen sein, ergänzt durch Sachspenden, darunter mehrere Dutzend Bücher. Handschriftenbefunde lassen vermuten, dass - neben anderen Personen bzw. Institutionen - ursprünglich weitere Familienmitglieder Vorbesitzer verschiedener Bände gewesen sein könnten, etwa der Hallenberger Notar, Stadtschreiber und Richter Johann Daniel Synesius (erwähnt zwischen 1645 und 1686, vermutlich ein unmittelbarer Vorfahre des Stifters), der Bürgermeister Johan(n) Synesius (erwähnt 1694–1704) oder der Notar und Stadtschreiber Hermann Synesius (erwähnt 1570–1596).Wie viele Bücher das "Benefizium" ursprünglich beinhaltete, ist unsicher. Ob alle damals gestifteten Bände im erhaltenen Bestand überliefert sind, ist ebenfalls unklar, aber nicht auszuschließen. Viel bedeutsamer als die Beantwortung dieser Frage ist aus heutiger Sicht die Feststellung, dass die historische Bibliothek der Pfarrgemeinde St. Heribert zu Hallenberg der Vikarie des Johannes Synesius ihr Entstehen verdankt.

Bücher erzählen Geschichte(n): Provenienzen geben Einblicke

Hinweise auf Vorbesitzer enthält der überwiegende Teil der zur Pfarrbibliothek zählenden Bände. Diese Eintragungen lokaler Honoratioren, Bürger und Pfarrer aus Hallenberg, dem Hallenberger Raum und dem kurkölnischen Sauerland, aber auch aus Köln selbst oder aus Hessen, sind von großer Bedeutung bezüglich orts- und regionalgeschichtlicher sowie genealogischer Forschungen. Gerade die Provenienzforschung hat ja in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung genommen , auch in Westfalen.

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Einer der wichtigsten Vorbesitzer ist sicherlich Franz Diederich. Gebürtig aus Warburg, wurde er Regularkanoniker (canonicus regularis) im Kreuzherrenkloster Glindfeld. Später war er als Kaplan und Vikar in Braunshausen tätig. Er muss ein vielseitig interessierter Mensch gewesen sein und besaß eine ordentliche Sammlung von Büchern (für Landpfarrerverhältnisse des 18. Jahrhunderts): Sie umfasste 25 Bände, davon war jedoch nur gut ein Drittel theologische Literatur: der Rest verteilte sich auf Wissensgebiete wie Geschichte, Rechts- und Staatswissenschaften (auch Kirchenrecht natürlich) sowie Philologie und Philosophie. Diese Sammlung ging nach seinem Tode in den Besitz der Pfarrei über. In diesen Büchern vermerkte er seinen Namen und (manchmal auch) das Jahr der Erwerbung, so dass sich rekonstruieren lässt, welcher Teil der Pfarrbibliothek aus seinem Nachlass stammt. Diese Sammlung und die anderen Provenienzen der Pfarrbibliothek Hallenberg und in Zukunft (in cumulo) aller Pfarrbibliotheken in Westfalen könnten somit der Forschung präzise Auskunft über den Bildungsstand und die Interessen von Geistlichen des 17. und 18. Jahrhundert geben – ein seltener Glücksfall für die Mentalitäts-, Bildungs- und Kulturgeschichte einer oftmals unterschätzten Region.

An Einzelpersonen lassen sich eine ganze Anzahl interessanter und wichtiger Vorbesitzer nennen: Johann Adam Bange (im Jahre 1651 als Pastor in Hallenberg bezeugt), Petrus Conradi (aus Hallenberg, im Jahre 1613 als "professus" im Prämonstratenserkloster Wedinghausen bezeugt), der schon erwähnte Franz Diederich (mit dem Besitz von 25 Büchern der größte Beiträger zur Sammlung), Johannes Dol(l)berg (aus Liesen, 1673–1715 als Pfarrer in Züschen und Hesborn belegt), Johann Elser (aus Köln), Johann Faber (Pastor in Medebach), Johann Jakob Fischer (1715–1731 als Pfarrer in Züschen, Hesborn und Liesen tätig), Franz Joseph Harbecke (von 1810 bis 1856 Pfarrer in Hesborn), Hermann Joseph Hemmerling, Meinolf Hensel (ein Vikar im frühen 17. Jahrhundert), Johann Philipp Hülsenbeck (1793 Vikar in Hallenberg), Nicolaus Jerusalem (Professor am Gymnasium Laurentianum Arnsberg), Johann Krüll (20. Jahrhundert), verschiedene Mitglieder der Familie Mörchen (oftmals als Pfarrer in Hallenberg oder Hesborn belegt), verschiedene Mitglieder der Familie Poelmann (aus Hallenberg, darunter Johann Poelmann, als "Apostolicus vicarius" im Jahre 1658 in Köln belegter Kanoniker), Johannes Rohleder (1809 in Braunshausen belegt), Johann Mathias Selman (Pastor in Bödefeld, später in Hallenberg, Teile seiner Bibliothek gelangten auch nach Brilon in die dortige Propsteibibliothek), Johann Daniel Synesius (aus Hallenberg, er hinterließ die ältesten und wertvollsten Werke in der Pfarrbibliothek, unter anderem einen Sammelband mit Inkunabeln), Franz Michael Trappe (Pastor in Bigge) oder Johannes Wahle (um 1700 als Pastor in Hallenberg bezeugt.

Darüber hinaus sind eine Reihe Bücher aus dem Kreuzherrenkloster Glindfeld vorhanden. Dieses Kloster war im Jahre 1499 vom Kölner Erzbischof Herrmann IV. von Hessen den Kreuzherren übergeben worden, nachdem das vorher dort existierende Augustinerinnenkloster aufgehoben worden war. Die wenigen in Hallenberg aus Glindfeld übernommenen Bücher weisen entweder individuellen Besitz von Glindfelder Konventualen auf oder den kollektiven Besitz, erkennbar an einem kleinen Stempel in Form eines Kreuzes auf dem Einband der entsprechenden Bücher. Weitere Bücher gelangten über die Arnsberger Provinzial- / Regierungsbibliothek in die ULB Münster. Aus dem Besitz von Glindfelder Konventualen stammen nur wenige, aber interessante Werke: Zu nennen sind insbesondere neben den Titeln, welche der schon erwähnte Franz Diederich gesammelt hat, die Bücher aus dem Besitz von Georg Gerling, Johann Heinrich Gerwin, dem letzten Prior des Klosters (1796–1804), Ferdinand Krevet (gebürtig aus Warburg, von 1787 bis zur Aufhebung 1804 in Glindfeld, gleichzeitig 1797 bis zu seinem Tod 1821 als Pfarrer in Düdinghausen tätig) oder Gerhard Schüngel (aus Medebach).

Als weitere Vorbesitzer sind einige interessante westfälische und hessische Klöster, aber auch sonstige Körperschaften, nachweisbar. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind hier zu nennen: Die Dominikaner zu Soest (Conventus Susatensis ord. Praed.), die Unbeschuhten Karmeliter in Köln (Conv. Coloniensis Carm. Discalc.), die Synesische Vikarie in Hallenberg selbst (specto ad vicariam Hallenbergensem beneficium Synesianum, siehe oben), die Karthause Eppenburg (Iste liber pertinet ad Carthusiam Hassiae sitam prope oppidulum Velsbergck), das Praemonstratenserkloster in Wedinghausen (Liber monasterii Wedinghausani ordinis Praemonstratensis prope Arnsberg), das Benediktinerkloster Abdinghof in Paderborn (Monasterii Abdinghoff Ord. S. Bened. Paderborn), die Zisterzienserabtei Hardehausen (Comparavit et bibliothecae Hardehusanae donavit Reverendissimus ac Amplissiomus Dominus D. Laurentius Abbas Hardehusanus Anno 1727), das Jesuitenkolleg Fritzlar (Societatis Jesu Frideslariae a. 1629) und das Benediktinerkloster Marienmünster.
Die vollständige Liste der Vorbesitzer finden Sie hier.

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Exemplarisch wurde der Band mit der Signatur HIST 1 (Chronologia.// Hoc Est,// Temporvm De-//monstratio Exactissima: Ab// Initio Mvndi, Vsqve Ad Annvm Domi-//ni M.D. LXVIII. Ex Eclipsibvs Et Observationibvs Astronomi-//cis omnium temporum [...]. Coloniae Agrippina, Birckmann, 1569) und einem Besitzvermerk des Johann Daniel Synesius restauriert. Illustriert wurde die Restaurierung durch die Diplom-Arbeit "Berühmt – Vergessen – Wiederentdeckt: ein Buch erzählt Geschichte(n)", verfasst von Frau Yousun Koh (Fachbereich Design der Fachhochschule Münster).

 

Reinhard Feldmann und Stephan Bialas-Pophanken