Kapuzinerbibliotheken der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz
Der Kapuzinerorden, als Teil der franziskanischen Ordensgemeinschaft, ist dem Armutsideal seines Gründers Franz von Assissi verpflichtet. Dies besagte: Wenige, aber nützliche Bücher und diese in Gemeinschaft. Bei aller Betonung der Armut und des Herzensgebetes waren Bücher dennoch nicht ausgeschlossen. An erster Stelle stand die Hl. Schrift, besonders die Evangelien, dann das Brevier, die Ordensregel mit dem Testament des hl. Franziskus und schließlich für solche, die sich nicht mit dem "Buch des Kreuzes zufrieden gaben, noch ein Gebetbüchlein" (Nr. 27). Von den Predigern wird gesagt, "sie sollen nicht viele Bücher mit sich tragen" (Nr. 121). In der Vorbereitung der Predigt sollen sie aber auf Bücher zurückgreifen können. Darum wird verodnet: "Da es immer die Absicht unseres Vaters Franziskus war, dass die Brüder die notwendigen Bücher gemeinsam und nicht privat hätten, um so besser die Armut zu beobachten und jede Anhänglichkeit an die Bücher von ihrem Herzen fern zu halten, soll es in jedem Konvent einen kleinen Raum geben, in dem die Hl. Schrift und Werke einiger heiliger Lehrer aufbewahrt werden. Unnütze Bücher aber, die den Menschen eher zum Heiden denn zum Christen machen, sollen in unseren Konventen nicht aufgehoben werden" (Nr. 121). Die Konstitutionen von 1536 kennen das Wort "Bibliothek" noch nicht; sie sprechen lieber von einem kleinen Gemeinschaftsraum für Bücher. Damit setzen sie sich von dem zum Teil sehr großen und reich bestückten Bibliotheken ab, wie sie sich bei den geistigen Vorläufern (Konventualen und Observanten) entwickelt hatten. Auch die Vorschrift, keine Bücher privat zu besitzen, will der Liebhaberei vorbeugen, mit der einige Minderbrüder schöne und teure Bücher gesammelt hatten. Die notwendige Einrichtung von Studienhäusern in jeder Provinz zur Ausbildung von Predigern bringt es dann mit sich, dass auch im Kapuzinerorden größere Bibliotheken entstehen. Sie wachsen mit dem Ansehen und Einfluss des Ordens, da kirchliche und weltliche Herrschaften ihnen Bücher schenken oder vererben. Ein Jahrhundert nach Entstehen der Kapuzinerreform gehört zu jedem Kapuzinerkloster eine mehr oder weniger große Bibliothek. Trotz Vorbehalt gegenüber dem Studium hatte sich das alte Sprichwort durchgesetzt: "Claustrum sine armario quasi castrum sine armamentario - ein Kloster ohne Bücherschrank ist wie ein Lager ohne Arsenale."
Leonhard Lehmann