Historische Lehrerbibliothek des Gymnasium Petrinum in Recklinghausen
Seit Ende 2002 befindet sich die historische Bibliothek des Gymnasium Petrinum in der Arbeitstelle "Historische Bestände in Westfalen" der ULB Münster. Es handelt sich um eine außergewöhnliche Bibliothek, die durch ihre dichte Überlieferung vor allem im 19. und zu Begiunn des 20. Jahrhunderts bemerkenswert ist. Sie wird in der ULB sachgerecht erschlossen und konservatorisch betreut.
Bestandsgeschichte
Die alte Lehrerbibliothek am Gymnasium Petrinum ist in erster Linie eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Ihr Grundstein wurde von Dr. Wüllner gelegt, der von 1829 bis 1832 als erster Direktor des Gymnasiums amtierte. Mit Hilfe einer Stiftung des Herzogs von Arenberg in Höhe von 600 Reichstalern erwarb er ca. 350 Bände. Daneben gab es ältere Bestände, die aber erst später mit der Bibliothek vereinigt worden sind: Aus der Klosterbibliothek der Franziskaner, die bis 1820 die Lateinschule in Recklinghausen betrieben, sind vor allem theologische Werke durch Kauf oder Schenkung ans Gymnasium gekommen. Eine genaue Identifikation ist heute nicht mehr möglich.
Aus der "Vestischen Schulbibliothek", die 1798 im Zuge der Bemühungen um eine Schulreform im Vest Recklinghausen entstanden war, kamen zwölf heute noch an den entsprechenden Markierungen erkennbare Bücher in die Gymnasialbibliothek. Aus der Bibliothek des Progymnasiums (1822-1829), die vor allem durch Schenkungen des Königlichen Konsistoriums in Münster ausgestattet wurde, sind einige Dutzend Bände übernommen worden.
Vor allem in den ersten beiden Jahrzehnten des jungen Gymnasiums wurde die Bibliothek durch Schenkungen ausgebaut. Für das Jahr 1839 wird ein Bestand von ca. 1800 Titeln angegeben, für 1900 wird die Zahl von ca. 5800 Bänden genannt. In dem 1910 gedruckten Katalog sind etwa 7000 Bände verzeichnet.
Seit dem Umzug der Schule in den ersten Neubau 1911 befindet sich die Bibliothek an ihrem heutigen Standort. Damals wurde eine der aktuellen Nutzung zugedachte Unterrichts- und Handbibliothek abgetrennt und an anderem Ort aufgebaut. Diese Unterscheidung ist bis heute erhalten geblieben. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Schulgebäude und Bibliotheksraum durch Bomben beschädigt. In der Folgezeit wurde eine Anzahl von Büchern entwendet.
Bestandsbeschreibung
Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen
Die alte Lehrerbibliothek besitzt heute etwa 10.000 Bände. Davon stammen 750 aus der Zeit vor 1800 (40 Bücher erschienen im 16. Jahrhundert, 80 im 17. Jahrhundert, 630 im 18. Jahrhundert). Besonders stark sind in dieser Gruppe die lateinische Literatur der Antike (155 Bde), theologische Literatur (117 Bände), historische Werke (100 Bände) und griechische Literatur der Antike (75 Bände) vertreten. Der überwiegende Teil der Bücher (ca. 7500) stammt aus dem 19. Jahrhundert. Der Rest erschien im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts.
Etwa 90 Prozent der Bücher sind in deutscher Sprache. 615 Bände aus den Abteilungen Religion und Hebräisch und Lateinische Sprache liegen in lateinischer Sprache vor. Ca. 300 sind in griechischer Sprache gedruckt. Daneben gibt es zum Teil sehr geringe Bestände in englischer, hebräischer, italienischer und französischer Sprache.
Systematische Übersicht
Die theologische Literatur (ca. 500 Bände) enthält neben lateinischen und deutschen Bibelausgaben bibelkritische und exegetische Schriften und zahlreiche Katechismen und Breviarien. Auch Schriften zur sittlichen Ermahnung der Gläubigen, vor allem aus dem 18. Jahrhundert, sind gut vertreten. Nahezu die Hälfte der theologischen Werke befasst sich mit Kirchen- und Konzilgeschichte; daneben sind Werkausgaben von Hieronymus (Basel 1516, ältester Bestand der Bibliothek), Johannes Chrysostomus (Basel 1525) und Augustium (Antwerpen 1700) zu erwähnen. In der Abteilung Philosophie und Ästhetik (180 Bände) finden sich zu einem Drittel Gesamtausgaben.
Die Abteilung Pädagogik und Schulwesen enthält neben allgemeinpädagogischen Handbüchern, Didaktiken und Methodiken der einzelnen Schulfächer (ca. 200 Bände) auch zahlreiche kleinere Schriften zur Schulreform, zum Schulrecht, zur Bildungspolitik und zu standespolitischen Streitfragen, während die Abteilung "Bibliographisches und Encyclopädisches" 200 Bände enthält.
Die Abteilung Deutsche Sprache ist mit annähernd 2100 Bänden die umfangreichste. Etwa 1500 Bände gehören zu Textausgaben deutscher Literatur, wobei die Literatur des 18. Jahrhunderts und die Literatur der Jahrhundertwende besonders gut vertreten sind. Ca. 125 Bände Briefliteratur (gedruckte Briefwechsel u. ä.), 75 Bände deutscher Literaturgeschichte und über 300 Bände mit sprachgeschichtlichen Themen kommen hinzu. Von den neueren Philologien ist allenfalls die Abteilung Französische Sprache zu erwähnen, die knapp 200 Titel umfasst, davon etwa 70 in der Originalsprache.
Mit 730 bzw. 600 Bänden sind die Abteilungen Lateinische Sprache und Griechische Sprache zwei weitere bedeutende Teile der Bibliothek. Grammatiken, Lehr- und Übungsbücher sowie Textausgaben antiker Autoren sind dabei jeweils gut vertreten. Horaz, Livius, Ovid, Cicero und Plinius einerseits, Platon, Sophokles, Thukydides, Aristoteles und vor allem Homer andererseits sind die am häufigsten anzutreffenden Autoren.
500 Bände finden sich in der Abteilung Altertumskunde und Kunstwissenschaft. Schriften zu Mythologie, Religion, zu Kultur, Wirtschaft und Sittengeschichte der griechisch-römischen Antike überwiegen. Bei den kunstgeschichtlichen Werken sind Handbücher und Tafelwerke und zahlreiche Studien zur Kunstgeschichte des Rheinlandes und Westfalens vorhanden. Zeitlich gehören die Bücher fast ausschließlich in die zweite Hälfte des 19. und in die beiden ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. An historischen Werken zur Weltgeschichte und zur Geschichte einzelner Staaten umfasst die Bibliothek 1500 Bände. Schwerpunkte liegen im Bereich der Weltgeschichte (165 Bände, z. B. Baumgarten), der römischen Geschichte (Gibbon, Mommsen) und der Geschichte der europäischen Staaten.
Die Abteilung Erdkunde enthält zahlreiche Leitfäden für den Geographieunterricht, darunter eine Anzahl älterer bedeutender Werke (Mercator/Hondius, Atlas von 1634-1637 oder Bruzen la Martinieres Atlas von 1744-1750).
Die Naturwissenschaften sind mit etwa 400 Bänden vertreten, überwiegend aus dem 19. Jahrhundert. In der Chemie finden sich grundlegende Werke von Berzelius und von Liebig, in der Biologie die Allgemeine Naturgeschichte von Buffon und von Oken, außerdem auch zahlreiche Tafelwerke zu Insekten, Schmetterlingen und Vögeln (meist aus dem 19. Jahrhundert). In der Abteilung Mathematik (ca. 200 Bände) sind Arbeiten zur analytischen und zur darstellenden Geometrie, zur Stereometrie, zur Differential- und zur Integralrechnung vorhanden, daneben Aufgabensammlungen für den Schulgebrauch sowie zahlreiche Schriften von Euler (auch aus dem 18. Jahrhundert).
Die Abteilung Musik umfasst überwiegend Liederbücher, Musikerbiographien, einige Musikdidaktiken, der Sport in der Mehrzahl Bücher aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, die sich mit der Methodik einzelner Sportarten und Übungsformen beschäftigen (70 Bände).
Bei den Zeitschriften sind ca. 100 Titel mit etwa 1400 Bänden vorhanden. Etwa 30 der 100 Titel stammen aus dem 19. Jahrhundert. Philologische und pädagogische Zeitschriften (27 Titel), zur deutschen Literatur und Sprache (15 Titel) und zur Geschichte (10 Titel) überwiegen. Noch ungeordnet und nicht verzeichnet befinden sich in der Bibliothek ca. 500 Schulprogramme deutscher und österreichischer Schulen, überwiegend aus dem 19. Jahrhundert.