Johann Gottlieb Nicolai (1744–1801)

Johann Gottlieb Nicolai wurde 1744 in Großneundorf bei Gräfenthal (Thüringen) geboren. 1771 wurde er in die Münstersche Hofkapelle aufgenommen und bereits nach einem Jahr zum Konzertmeister befördert. 1775 verließ Nicolai Münster, um an der Michaelskirche in Zwolle (Niederlande) das Amt des Konzertdirektors und Organisten anzutreten, das er bis zu seinem Tod 1801 bekleidete; an dieser Kirche stand ihm mit dem von Arp Schnitger erbauten Instrument eine der seinerzeit größten Orgeln zur Verfügung.

In Münster komponierte Nicolai die beiden beim Publikum beliebten Singspiele Die Wilddiebe und Der Geburtstag auf Texte des Münsteraner Juristen und Schriftstellers Anton Matthias Sprickmann (1749–1833). Neben einem weiteren Bühnenwerk, der ernsten Oper Jolanta, deren Musik – ebenso wie diejenige zu Die Wilddiebe – leider verschollen ist, schrieb Nicolai Instrumentalkonzerte sowie zahlreiche kammermusikalische Werke.

Trotz der relativ kurzen Zeit, die Nicolai in Münster verbrachte, scheinen dennoch einige seiner persönlichen Verbindungen nach Westfalen von Dauer gewesen zu sein. So finden sich in der Subskribentenliste seiner 1799 gedruckten Sammlung von sechs Klaviertrios op. 12 auch ein Dutzend Abnehmer aus Münster, und in der 1845 erschienenen Biographie des aus Münster stammenden Philologen Johann Christoph Schlüter (1767–1841) wird für den 25. September 1792 ein Aufenthalt Nicolais auf Schloss Harkotten im Münsterland bezeugt. Dessen Hausherrin Maria Anna Alexandrina geb. Freiin von Galen (1752–1829), in erster Ehe mit Clemens August Graf von Plettenberg (1742–1771) auf Nordkirchen verheiratet, ging nach dem frühen Tod ihres ersten Gemahls 1778 eine zweite Ehe mit Clemens August von Ketteler (1751–1815) auf Harkotten ein. Auf diesem Wege gelangte die zunächst auf Schloss Nordkirchen angelegte gräflich Plettenbergische Musiksammlung nach Harkotten und wurde dort gepflegt und erweitert; 1991 konnte diese Musiksammlung Nordkirchen von der ULB Münster auf dem Antiquariatsmarkt erworben werden. Dass Nicolai zur Familie von Ketteler auf Harkotten eine durchaus enge Beziehung pflegte, wird dadurch erhärtet, dass in der jüngeren, mit Schloss Harkotten verbundenen Überlieferungsschicht der Musiksammlung Nordkirchen eine ganze Reihe von Kompositionen Nicolais erhalten sind, einige davon als datierte und mit der Ortsangabe „Harkotten“ versehene (Teil-)Autographen. Auf diese Weise lassen sich zwei Aufenthalte Nicolais auf Harkotten belegen: Zwei Lieder Nicolais werden – in sehr guter Übereinstimmung mit Schlüter – auf den 24. September 1792 datiert, und eine Violinsonate ist mit „Harkotten d 14 octobr 1795 | JG Nicolai | m. s.“ (= manu sua = eigenhändig) gezeichnet.

Literatur

Forkel, Johann Nikolaus: Musikalischer Almanach für Deutschland auf das Jahr 1784. Leipzig 1783, S. 107.

Gerber, Ernst Ludwig: Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler. Bd. 2, Leipzig 1792, Sp. 29.

Ders.: Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler. Bd. 3, Leipzig 1813, Sp. 585-586.

Schlüter, Anton Aloys: Mittheilungen aus dem Leben Johann Christoph Schlüter’s, gewesenen Doctors der Philosophie, ord. öffentl. Professors der deutschen und der römischen Literatur ... zu Münster ... / geschrieben von dessen Sohne Anton Aloys Schlüter. Münster 1845, S. 59.

Beusker, Gerd: Die Münsterische Dom-, Hof- und Musikkapelle 1650–1802 : ein Beitrag zur Musikgeschichte der Stadt Münster. Kassel 1978, S. 41-42.

Musik in Münster : eine Ausstellung des Stadtmuseums Münster in Zusammenarbeit mit dem Musikwissenschaftlichen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 22. April – 31. Juli 1994 / Hrsg.: Klaus Hortschansky ... Münster 1994, Exponate Nr. 165, 173, 174.