Teilnachlass Carl von Clausewitz

Gute u. zahlreiche Truppen u. ein ausgezeichneter Feldherr sind die unfehlbaren Mittel zum Siege, aber es sind immer nur Mittel, d.h. Instrumente, u. die Seele des Kriegs wohnt im Kabinet, d.h. in den Interessen, durch welche dasselbe geführt wird u. in dem Geist, womit es diesen Interessen nachgeht. Es ist unmöglich den Krieg von der Politik zu trennen; ihn nach eigenen selbstständigen Gesetzen zu behandeln. Der Krieg ist nichts als eine Aeußerung der Politik, nur mit anderen Mitteln.
Carl von Clausewitz: Deutsche Streitkräfte (unveröffentlichtes Manuskript)
It is one of history’s great ironies that the West’s seminal treatise on war - an activity traditionally inseparable from constructions of masculinity – was edited and published by a woman.
Vanya Eftimova Bellinger
Carl von Clausewitz
Clausewitz vor dem Hintergrund der Breslauer Dominsel, Aussicht aus seiner Wohnung in der Heilig-Geist-Straße
© Karl Wilhelm Wach / Wikimedia Commons

Zur Person

* 1. Juli 1780 in Burg bei Magdeburg
† 16. November 1831 in Breslau

Carl Philipp Gottlieb Claußwitz, Sohn des Steuereinnehmers Friedrich Gabriel Clausewitz, erhielt in seiner Jugend eine eher bescheidene Ausbildung an einer Lateinschule. Dem Vater gelang es jedoch 1792 durch Beziehungen zum Preußischen Offizierskorps seinen Sohn in ein Infanterie-Regiment eintreten zu lassen – unter dem Namen Carl von Clausewitz, angeblich einem oberschlesischen Adelsgeschlecht entstammend.

Der junge Clausewitz erlebte drei Jahre mit Kriegen und Feldzügen bevor er ab 1796 in der Garnison Neuruppin Zeit für ausgedehnte Studien zu den Themen Französische Revolution, Kriegstheorie, Politik, Logik und Ethik fand. Im Oktober 1801 gehörte er zum ersten Jahrgang an der von Scharnhorst gegründeten Kriegsschule in Berlin. Als Mitglied der Militärischen Gesellschaft bekam er viele Anregungen und knüpfte wichtige Kontakte. Nach seiner Graduierung 1804 wurde er zum Adjutanten des Prinzen August von Preußen befördert und erhielt in dieser Position Zugang zu Hof und Gesellschaft. Dort lernte er Marie von Brühl kennen, seine spätere Ehefrau.

Im Vierten Koalitionskrieg (1806) geriet Clausewitz nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt als preußischer Stabskapitän und Adjutant in französische Kriegsgefangenschaft. Als Gefangener des Marschall Murat lernte er in Berlin Napoleon I. kennen. Das Jahr 1807 verbrachte er in französischer Kriegsgefangenschaft in Nancy, Soissons und Paris u. a. mit schriftlichen Analysen des Kriegsgeschehens und der preußischen Niederlage. 1809 holte ihn der preußische Kriegsminister Scharnhorst in seinen persönlichen Stab, wo er an der Reorganisation der preußischen Armee arbeitete. 1810 wurde Clausewitz zum Major befördert, zu Scharnhorsts Bürochef ernannt und arbeitete als Lehrer für Generalstabsdienst und Taktik. Außerdem unterrichtete er als Hauslehrer u. a. auch die preußischen Prinzen.

1812 verließ er die preußische Armee, um nicht im Napoleonischen Heer kämpfen zu müssen und trat in russische Dienste, was ihm von König Friedrich Wilhelm III. als Fahnenflucht ausgelegt wurde. Auf russischer Seite spielte Clausewitz eine nicht unwichtige Rolle bei der Vorbereitung der Konvention von Tauroggen. Im April 1814 trat er als Oberst wieder in preußische Dienste. Als Stabschef eines preußischen Korps kämpfte er am 16. Juni 1815 in der Schlacht von Ligny.

In der nachfolgenden Restaurationszeit waren liberale Denker und Reformer unerwünscht. Man beförderte den Armeereformer Clausewitz 1818 auf den Posten des Direktors der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin – wohlweislich ohne Lehrbefugnis. Er wurde zum jüngsten Generalmajor der preußischen Armee ernannt und 1821 in den Generalstab aufgenommen. Unzufrieden mit den für ihn unbefriedigenden Posten schrieb er etliche Versetzungsanträge, die alle abgelehnt wurden. Clausewitz widmete sich weiterhin Studien über die Theorie und Geschichte des Krieges.

Erst 1830, kurz nach seiner Versetzung zur 2. Artillerie-Inspektion in Breslau, berief ihn Generalfeldmarschall Gneisenau während des polnischen Novemberaufstandes zum Stabschef des preußischen Observationskorps. Als Gneisenau einer sich über Europa ausbreitenden Cholera-Epidemie zum Opfer fiel, erhielt Clausewitz den Oberbefehl über die preußischen Truppen. Im November 1831 starb Preußens geistvollster Soldat ebenfalls an Cholera.

Marie von Clausewitz hatte großen Einfluss auf die Entstehung seiner Werke. Ihr ist die posthume Herausgabe von Clausewitz‘ Werken zu verdanken, die großen Einfluss auf das internationale Kriegswesen hatten und bis heute nicht an Bedeutung verloren haben. So war der von ihm formulierte Abschreckungsgedanke (Abschreckung des Gegners durch Aufbau einer großen Armee) Grundlage für das große Wettrüsten vor dem Ersten Weltkrieg und während des Kalten Krieges. Seine Theorien über Strategie, Taktik und Philosophie finden aber auch in anderen Bereichen Anwendung, so zum Beispiel in der Wirtschaft bei Unternehmensführung oder Marketing. Carl von Clausewitz hat mit seiner Schrift Vom Kriege eines der bedeutendsten kriegswissenschaftlichen Werke der Welt verfasst.

© Clausewitz Homepage

Zum Teilnachlass

Die Überlieferungsgeschichte des Nachlasses Carl von Clausewitz ist bis heute nicht vollständig geklärt.

Nach dem Tod ihres Gatten verwaltete seine Witwe Marie von Clausewitz (1779–1836) den Nachlass, der nach ihrem Tod zuerst in die Hände ihres Bruders Friedrich Wilhelm „Fritz“ von Brühl (1791–1859) gelangte und später an dessen Witwe Hedwig von Brühl (1805–1890) ging. Während dieser Zeit muss der Nachlass aufgeteilt worden sein; ein wesentlicher, militärischer Teil des schriftlichen Nachlasses ging an die Familie Clausewitz, Dokumente von eher privatem Charakter verblieben bei den Nachfahren der Familie Brühl, so z. B. die Privatkorrespondenz zwischen Carl und Marie von Clausewitz (heute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz).

Der Teilnachlass Clausewitz, welcher sich seit 1955 in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster befindet, wurde vermutlich folgendermaßen überliefert:
Wilhelm von Clausewitz (1801–1884) war der letzte Erbe, der als Neffe den Nachlasser noch persönlich gekannt haben muss. Als Wilhelm kinderlos verstarb, ging der Nachlass an den Generalmajor Karl Wilhelm von Clausewitz (1836–1895), später an dessen Witwe Marie von Clausewitz (1855–1916) und an seine Kinder.
Wahrscheinlich war es Karl Wilhelms Sohn Wilko von Clausewitz (1875–1940), der in den 1930er Jahren den schriftlichen Nachlass seines berühmten Verwandten als Depositum an das Institut für Politische Pädagogik in Berlin unter der Leitung von Alfred Baeumler übergab.
Baeumler arbeitete nicht am Nachlass, dafür aber sein Kollege Walther Malmsten Schering (1883–1954), der sich mit Clausewitz‘ Kriegsphilosophie habilitierte und Clausewitz publizierte. Schering zitierte aus seinen Dokumenten, vermied aber in der Regel genauere Standortangaben zum Nachlass. Dass er bei seinen Zitaten aus den Nachlassdokumenten kein Signatursystem nutzte, lässt darauf schließen, dass die Clausewitziana durch ihn wohl nicht inventarisiert wurden.
Laut eigener Aussage evakuierte Schering persönlich den wertvollen schriftlichen Nachlass gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aus Berlin nach Weida in Thüringen, was zumindest vom Volumen her nicht problematisch gewesen sein dürfte; alle Dokumente hätte man in einem einzigen Reisekoffer transportieren können. Spätere Gerüchte, der Nachlass sei bei der Evakuierung russischen Truppen in die Hände gefallen, konnten nicht belegt werden.
Schering übersiedelte nach Marburg und wurde 1948 emeritiert. Nach seinem Tod übergab Scherings Witwe wenige Werkmanuskripte des Carl von Clausewitz an die Westdeutsche Bibliothek in Marburg, die spätere Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz.

Im Sommer 1955 wurde ein Großkontingent von Clausewitz-Manuskripten auf Betreiben von Werner Hahlweg (1912–1989) an die Universität Münster verkauft. Der Anbieter Horst Pfeiffer aus Erlangen erklärte, die wertvollen Stücke in seiner Villa gefunden zu haben.
Bereits vor dem Verkauf an die Universität befand sich der Nachlass in Hahlwegs Händen im Historischen Seminar und wurde von ihm in Vorbereitung auf eine geplante Werkedition bearbeitet.

Die Universität wies den Nachlass der damaligen Universitätsbibliothek zur sachgemäßen Aufbewahrung zu. Und obwohl Werner Hahlweg bereits Anfang August 1955 schriftlich erklärt hatte, den Nachlass weisungsgemäß an die Universitätsbibliothek abgegeben zu haben, konnte diese sich erst Mitte Oktober 1955 beim Universitätskurator für die Nachlassüberstellung bedanken und die Richtigkeit des Nachlassinventars bestätigen. Später musste die Universitätsbibliothek den Nachlasserwerb mehrfach gegenüber anderen Institutionen rechtfertigen. Werner Hahlweg hat versucht, den Kauf möglichst geheim zu halten, Universität und Universitätsbibliothek sahen allerdings keinen Anlass dazu.

Weitere Dokumente aus dem schriftlichen Clausewitz-Nachlass, wie er Walther Malmsten Schering in Berlin noch vorgelegen haben muss, wurden von Werner Hahlweg bei späteren Auktionen privat erworben. Hahlweg hat Zeit seines Lebens nur diffuse Angaben zur Nachlassprovenienz gemacht.

Der 1955 von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster erworbene Teilnachlass Clausewitz umfasst in 5 Kapseln folgende Dokumente:

  • Werkmanuskripte
  • Korrespondenz
  • Autografen von Marie von Clausewitz

Der Nachlass ist in HANS erschlossen und vollständig digitalisiert.

Lesenswert

Website der deutschen Clausewitz-Gesellschaft e.V.

The Clausewitz Homepage

The Clausewitz Studies Newsletter

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: Teilnachlass Clausewitz im Familienarchiv von Buttlar-Venedien

Forschungsgemeinschaft Clausewitz – Burg e.V.

Carl von Clausewitz Freundeskreis

Bellinger, Vanya Eftimova: Marie von Clausewitz. The Woman Behind the Making of On War.
Oxford 2015

01.10.2017
Heitfeld-Rydzik, Birgit: Clausewitz-Freundeskreis besucht die ULB Münster

23.01.2016
Heitfeld-Rydzik, Birgit: Liebe und Krieg. Marie von Clausewitz zum 180. Todestag.

14.07.2015
Bellinger, Vanya Eftimova: A new drawing of Carl von Clausewitz discovered
The other Clausewitz. A Blog Following My Work on Marie von Clausewitz's Biography.

28.04.2015
Bellinger, Vanya Eftimova: The Clausewitz Papers in Münster University Library
The other Clausewitz. A Blog Following My Work on Marie von Clausewitz's Biography.