China zum Christentum bekehren – das will der evangelische Missionar Karl Gützlaff unbedingt. Dafür unterstützt er auch die Briten im Opiumkrieg – als Übersetzer und Spion.
„Es gehört eine gewisse Tollkühnheit zu einem Heidenboten.“ Das ist das Motto von Karl Gützlaff, der seinen religiösen Feuereifer in die Welt tragen will. Geboren wird der Sohn eines armen Schneiders am 8. Juli 1803 im Provinzstädtchen Pyritz in Pommern. Er macht in Stettin eine Lehre als Gürtelmacher.
Als 1820 Friedrich Wilhelm III. von Preußen die Stadt besucht, verfasst der 17-jährige Karl zusammen mit einem Freund ein Huldigungsgedicht für den Herrscher. Dieser zeigt sich erkenntlich und sorgt dafür, dass Karl auf die Jänickesche Missionsschule in Berlin geschickt wird. Von dort aus geht Gützlaff nach Rotterdam und lässt sich für die evangelische Mission in Asien ausbilden.
„Ich brenne für ihr Heil“
Nach drei Jahren Studium und Ordination wird er als Pfarrer nach Niederländisch-Indien geschickt, dem heutigen Indonesien. Von dort geht er nach Bintan, einer Insel vor Singapur, und schließlich nach Bangkok, wo er Auslandschinesen kennenlernt. „Ich liebe die Chinesen unaussprechlich, ich brenne für ihr Heil“, schreibt Gützlaff 1831 in einem Brief. Er will ganz China missionieren.
Dafür lernt er nicht nur das offizielle Mandarin-Chinesisch, sondern auch zahlreiche regionale Dialekte. Um sich ganz auf die einheimische Kultur einzulassen, lässt er sich das Haar scheren, trägt einen Zopf und chinesische Kleidung. Weil er vor allem mit einheimischen Missionaren arbeiten will, kommt es zum Bruch mit seiner niederländischen Missionsgesellschaft.
Unterwegs als freischaffender Missionar
Gützlaff engagiert sich fortan als „Freimissionar“. Finanzieren kann er seine hochfliegenden Pläne unter anderem durch zwei Ehen mit reichen Britinnen. Außerdem nimmt er Spenden ein und lebt vom Verkauf von Reiseberichten, die in Europa und den USA mit hohen Auflagen erscheinen. Darin erzählt er von seinen Erkundungs- und Missionsreisen, die er nach China unternimmt, wo er freigiebig Bibeln und Traktate verteilt.
Unterwegs ist Gützlaff mit westlichen Handelsschiffen, die Opium nach China bringen. Die Einfuhr von Opium ist zwar seit 1821 streng verboten. Aber es ist die einzige britische Handelsware, für die es in dem wirtschaftlich abgeschotteten Reich der Mitte eine Nachfrage gibt. Die Droge wird von der East-India-Company gegen chinesischen Tee getauscht.
Britischer Agent im Opiumkrieg
Ab 1834 steht Gützlaff offiziell in britischen Diensten. Er wird Handelsbevollmächtigter, später auch Dolmetscher der East-India-Company. 1839 wird es Peking zu bunt. 20.000 Opium-Kisten werden auf Befehl des Kaisers beschlagnahmt. Darauf greifen britische Flotteneinheiten das Land an. Es kommt zum sogenannten Opiumkrieg.
Gützlaff wird von den Briten in den von ihnen besetzten Hafenstädten Ningbo und Dinghai als Verwaltungsbeamter eingesetzt. Dort leitet der Missionar einen Spionagering, der Informationen über die gegnerischen Truppen sammelt. Seine Informationen verschaffen der britischen Seite große Vorteile.
Übersetzer bei den Friedensverhandlungen
Die Idee zum kriegsentscheidenden Vorstoß auf Nanjing stammt von Gützlaff. Bei den anschließenden Friedensverhandlungen sitzt er als Dolmetscher am Tisch, während die chinesische Seite keinen eigenen Übersetzer hat. So wird der protestantische Missionar aus Pommern zum Erfüllungsgehilfen kolonialer Kanonenbootpolitik.
Seinem eigentlichen Ziel, der Christianisierung Chinas, kommt Gützlaff allerdings kaum näher. Als er am 9. August 1851 in Hongkong stirbt, existieren zwar einige Missionsschulen. Von der erträumten Massenkonversion aber bleibt das Land weit entfernt.
(WDR, Martin Herzog, David Rother)
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