013 DER ITALIENISCHE FELDZUG DES JAHRES 1859:
mit 6 Plänen und Beilagen. – Berlin : Mittler, 1862. – IV, 171 S., 12 Bl. : Kt. – (Militair-Wochenblatt / Beiheft ; 1861,7 – 1862,3)
Signatur: 1659


Italien war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kein Nationalstaat, sondern – laut Fürst Metternich – allenfalls ein »geographischer Begriff«. Es bestand – mit dem Kirchenstaat im Zentrum – aus einem Flickenteppich kleinerer Territorien unter dem Einfluß fremder Mächte. Im oberitalienischen Königreich Lombardei-Venetien versuchte Graf Radetzky nach der Unterdrückung des nationalen Aufstands von 1848 / 49 mit harter Hand den Status quo habsburgischer Herrschaft zu sichern. Im Gegenzug forderte die italienische Unabhängigkeitsbewegung immer nachdrücklicher den Abzug Österreichs. Neuen Auftrieb erhielt die »Risorgimento« (»Wiedererstehung«) genannte italienische Nationalbewegung 1852 durch die Berufung von Graf Cavour zum Ministerpräsidenten von Piemont-Sardinien. Unter seiner politischen Führung wurde das kleine Königreich zum Modell für den künftigen italienischen Nationalstaat ausgebaut. Verhandlungen Cavours mit Frankreich führten zu einem Abkommen, das auf die Vertreibung der Östereicher aus Norditalien, die Annexion der Lombardei, Venetiens und mittelitalienischer Gebiete durch Piemont und die Gründung eines italienischen Staatenbundes zielte. Als Gegenleistung für die Unterstützung sollten Nizza und Savoyen an Frankreich abgetreten werden.
Bis zum Jahr 1859 hatte sich die außenpolitische Situation Österreichs gegenüber 1848 / 49 erheblich verschlechtert. Frankreich war im Bündnis mit Piemont-Sardinien zum direkten militärischen Eingreifen in Italien bereit. Für Preußen schien eine militärische und machtpolitische Schwächung seines Konkurrenten im Kampf um die Vormachtstellung im Deutschen Bund akzeptabel.
Ö sterreich selbst hatte durch sein taktierendes Verhalten während des Krimkrieges seine Beziehungen zu Rußland auf Dauer belastet. Die demütigende Niederlage Rußlands auf der Krim bedeutete eine erhebliche Schwächung des konservativen Lagers unter Europas Großmächten – und ging damit auch zu Lasten Österreichs. Zusammen mit den außenpolitischen Ambitionen Napoleons III. schuf diese Konstellation im Konzert der europäischen Mächte die Voraussetzung für eine nationale Einigung Italiens mit militärischen Mitteln. Nachdem ein Ultimatum Wiens an Piemont, die Rüstungsmaßnahmen umgehend einzustellen, von Cavour zurückgewiesen worden war, begann der Krieg mit dem Einmarsch der in Oberitalien stationierten österreichischen Truppe. Die militärische Entscheidung fiel auf den Schlachtfeldern von Magenta und Solferino. Bei Solferino standen am 23. Juni 1859 auf einer Frontlinie von rund 20 Kilometern ca. 133.000 Österreicher mit 413 Geschützen der vereinigten Armee der Franzosen und Italiener mit 151.000 Mann und 370 Geschützen gegenüber. Nach der verlorenen Schlacht mußte Österreich im Vorfrieden von Villafranca die Lombardei an Piemont-Sardinien abtreten. Die militärische Niederlage Österreichs bei Solferino brachte aber nicht nur eine Vorentscheidung auf dem Weg zum italienischen Nationalstaat. Mit der verlustreichen Schlacht ist bis heute auch die Erinnerung an ein humanitäres Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung verbunden – die Gründung des Internationalen Roten Kreuzes. Als Augenzeuge des Leidens der zumeist unversorgten Verwundeten richtete der Schweizer Jean-Henri Dunant (* 8. Mai 1828 in Genf, † 30. Oktober 1910 in Heiden) im Jahr 1862 unter dem Titel »Un souvenir de Solferino« den nachdrücklichen Appell an die Öffentlichkeit, die Versorgung der Opfer von Kriegshandlungen zu verbessern. 1863 bildete Dunant gemeinsam mit General Dufour, dem Juristen Moynier und den Ärzten Appia und Maunoir das sog. »Komitee der Fünf«, aus dem später das »Internationale Komitee vom Roten Kreuz« hervorging. Auf Dunants Initiative trat noch im selben Jahr in Genf eine internationale Konferenz zur »Humanisierung« der Kriegsführung zusammen. Am 22. August 1864 unterzeichneten zwölf europäische Staaten die »Genfer Konvention« und verpflichteten sich im Kriegsfall künftig Sanitätseinrichtungen als neutral zu behandeln und vor Kampfhandlungen zu schützen und verwundete oder erkrankte Heeressoldaten ohne Rücksicht auf ihre Nationalität zu versorgen. Zu diesem Zweck wurde ein internationaler Sanitätsdienst gegründet, als dessen Symbol man, als Reverenz gegenüber der gastgebenden Schweiz, die »umgekehrte« eidgenössische Nationalflagge wählte – ein rotes Kreuz auf weißem Grund. Später wurden die völkerrechtlichen Schutzbestimmungen der »Genfer Konvention« auch auf Marineangehörige (1907), Kriegsgefangene (1929) und Zivilisten (1949) ausgedehnt. Dunants Verdienste als Initiator der »Genfer Konvention« und des »Internationalen Roten Kreuzes« wurden allerdings erst Jahrzehnte später gewürdigt. 1901 erhielt er zusammen mit dem Gründer der »Internationalen Friedensliga« den ersten Friedensnobelpreis.

Der Bericht über den folgenreichen italienischen Feldzug Österreichs erschien 1862 als Beiheft zum »Militair-Wochenblatt« bei dem noch heute auf militärisches Schrifttum spezialisierten Verlag »Mittler«. Das seit 1816 von den preußischen Offizieren Carl von Decker und Rühle von Lilienstern herausgegebene »Militair-Wochenblatt« gehörte im 19. Jahrhundert, neben der »Militair-Literatur-Zeitung« und der »Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges«, zu den wichtigsten Erzeugnissen militärischer Publizistik in Preußen.
V.D.