Nachlass Paul Stöcker
Zur Person
* 11.04.1914 in Herne
† 22.08.2010 in Münster-Angelmodde
Der in Herne geborene Schriftsetzersohn Paul Stöcker jun. verbrachte einen Teil des Ersten Weltkriegs in Neusalz an der Oder. Seine Mutter war aufgrund der kriegsbedingt schlechten Versorgungslage in Herne mit ihm zum Vater gezogen, der in Schlesien seinen Militärdienst ableistete. Nach Kriegsende wurde der arbeitslose Paul Stöcker sen. von seinem Vater Carl in der Brennerei Alexander Kisker in Lippstadt beschäftigt. Carl Stöcker war dort Betriebsleiter.
Nach dem Besuch der Evangelischen Wilhelmschule in Lippstadt ging Paul Stöcker jun. ab 1924 auf das Ostendorf Realgymnasium, wo er 1933 seine Schulausbildung mit dem Abitur abschloss. Schulgeldzahlungen waren aufgrund eines Stipendiums für den klugen Schüler kein Problem, ein Studium konnten ihm seine Eltern jedoch nicht finanzieren. So begann Paul Stöcker eine Ausbildung in der Reichszollverwaltung. Als Zollsupernumerar wurde er zum Hauptzollamt in Gronau abgeordnet und musste am 1.11.1933 der dortigen SA beitreten. Nach Bestehen der Prüfung zum Zollinspektor wurde er 1936 zum Zollpraktikanten beim Hauptzollamt Gronau ernannt. Im Oktober 1936 wurde Paul Stöcker zur Erfüllung seiner zweijährigen Dienstpflicht in der deutschen Wehrmacht beim II./Art.Reg. 42 in Bielefeld einberufen. Er erhielt die Eignung zum Reserveoffizier zugesprochen und verpflichtete sich zum 01.10.1938 zur Ableistung des 3. freiwilligen Dienstjahres.
Während des Zweiten Weltkriegs nahm Paul Stöcker als Leutnant der Reserve zunächst am Frankreichfeldzug teil, später war er in Russland eingesetzt. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz 1. und 2. Klasse ausgezeichnet. Zuletzt war er als Hauptmann Abteilungskommandeur der Heeres-Artillerieabteilung 906. Bei Rückzugskämpfen am 25.03.1945 im Raum Danzig durch Granatwerferbeschuss schwer verwundet, hatte Stöcker das Glück, mit dem Dampfer Ubena nach Dänemark übersetzen zu können. Im Lazarett Aalborg erlebte er das Kriegsende und geriet in englische Gefangenschaft. Im August 1945 erfolgte der Transport von Dänemark in das Gefangenenlager Munster, zunächst in das dortige Lazarett, dann in das normale Gefangenenlager.
Nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft nahm Stöcker im Oktober 1945 wieder seinen Dienst in der Zollverwaltung Gronau auf. Versetzungen nach Dortmund und Bochum folgte 1967 die Position des Vorstehers des Hauptzollamtes Münster, wo er nach 45 Dienstjahren am 01.04.1978 in den Ruhestand ging.
Außerhalb des Dienstes engagierte sich Paul Stöcker im Bund der Zollbeamten als Vorsitzender des Bezirksverbandes Westfalen und Mitglied des Bundeshauptvorstandes. Er wurde Mitglied im Bachverein in Dortmund und während seiner Zeit in Münster engagierte er sich im Musikverein Münster, von 1971 bis 1976 als Chorvorsitzender, von 1976 bis 1978 als Vorsitzender des Gesamtvereins, danach als Vorstandsmitglied.
Des Weiteren war Paul Stöcker leidenschaftlicher Fotograf. Mit seiner Kodak Retina II dokumentierte er seit 1939 sein Militärleben. Er hatte von einer Propagandaeinheit 30 m Film bekommen, diese von einem Gronauer Fotohändler auf Spulen laden lassen und somit bis 1945 ausreichend Filmmeter zum Fotografieren zur Verfügung. Auf Heimaturlauben ließ er seine Fotos entwickeln. Und während seiner Kriegsgefangenschaft ließ Paul Stöcker seine Kamera sogar von einer Krankenschwester aus dem Gefangenenlager schmuggeln. Ab 1939 führte Paul Stöcker ein Kriegstagebuch, das er später sorgfältig aufbereitete. Mithilfe seiner Aufzeichnungen konnte er nach Kriegsende Verbindungen zu alten Kameraden herstellen und bei der Suche nach Vermissten helfen. Seine Kriegstagebücher und Fotoalben sind auch heute noch hervorragende Zeitzeugnisse.
Paul Stöckers jüngerer Bruder Werner verstarb im Zweiten Weltkrieg. Sein Nachlass befindet sich im Stadtarchiv Lippstadt und enthält u.a. Feldpostbriefe und ein kurzes Kriegstagebuch.