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WDR ZeitZeichen zu „Warten auf Godot“

Logo WDR bei Wikimedia Commons„„Warten auf Godot“ ist ein geflügeltes Wort – und der Titel des gle­ich­nami­gen The­ater­stücks von Samuel Beck­ett. Er lan­det damit einen Wel­ter­folg. Obwohl das The­ma unan­genehm ist.
Zwei abgeris­sene Ker­le gehen einan­der auf die Ner­ven – auch dem Pub­likum. Gegen­seit­ig nen­nen sie sich Gogo und Didi. Im Textbuch ste­hen die Namen Wladimir und Estragon. Ob es Gauner, Clowns oder vielle­icht Land­stre­ich­er sind, wo sie herkom­men, wohin sie wollen – alles unklar.
Der irische Autor Samuel Beck­ett, der seit Jahren in Frankre­ich lebt und inzwis­chen Franzö­sisch schreibt, lässt die bei­den Haupt­fig­uren warten. Sein The­ater­stück heißt „En Atten­dant Godot“, auf deutsch: „Warten auf Godot“. In welch­er Zeit die bei­den Akte ange­siedelt sind, ist offen. Wer Godot ist, wird nicht erk­lärt: „Wenn ich wüsste, wer Godot ist, hätte ich es in mein Stück hineingeschrieben.“ (Samuel Beck­ett)

Ungewiss­es Warten auf das Kriegsende
Qualvolles Warten ken­nt Beck­ett: Während des Zweit­en Weltkrieges ist er vor den deutschen Besatzern in den Süden Frankre­ichs geflüchtet. In Rous­sil­lon, das nicht von der Wehrma­cht beset­zt gewe­sen ist, hat er zusam­men mit sein­er Fre­undin Suzanne Déchevaux in der Land­wirtschaft gear­beit­et. Und ungeduldig darauf gewartet, dass der Krieg zu Ende geht.
Als es endlich soweit ist, kehren die bei­den zurück nach Paris in ihre alte Woh­nung. Sie find­en alles so vor, wie sie es ver­lassen haben. Beck­ett vol­len­det nach sein­er Rück­kehr in kurz­er Zeit drei Roman-Manuskripte. Dann schreibt er das The­ater­stück „Warten auf Godot“. Einem Besuch­er erzählt er später: „Das hat sich so zwis­chen Hand und Blatt ergeben.“

Bald auf der ganzen Welt gespielt
Angeregt dazu hat Beck­ett ein Gemälde von Cas­par David Friedrich: Zwei Spaziergänger, vom Betra­chter abge­wandt, ver­tiefen sich in den Anblick des Mon­des. Er hat­te das Bild während ein­er Deutsch­landreise in den 1930er-Jahren gese­hen. Seine Lebens­ge­fährtin küm­mert sich um die Ver­mark­tung des Manuskripts. Sie schafft es, den Regis­seur Roger Blin für „Godot“ zu inter­essieren.
In einem kleinen The­ater in Paris wird Beck­etts Stück am 5. Jan­u­ar 1953 uraufge­führt. Das Pub­likum reagiert irri­tiert und fasziniert zugle­ich. Das Rät­sel um „Godot“ wird zum Stadt­ge­spräch, der Titel zum geflügel­ten Wort. Inner­halb weniger Monate bewer­ben sich auch aus­ländis­che The­ater um die Auf­führungsrechte. „Godot“ wird bald auf der ganzen Welt gespielt.

„Durch die Form einen Ausweg find­en“
Das Urteil der Kri­tik­er ist tas­tend und vor­sichtig. Alle spüren, dass etwas dran ist an diesem Stück. Aber was? Die Deu­tun­gen sind schi­er ufer­los: psy­cho­an­a­lytisch, marx­is­tisch, sozi­ol­o­gisch, christlich, exis­ten­zial­is­tisch. Beck­ett selb­st reagiert darauf zurück­hal­tend: „Sie leg­en mir allzu gewichtige Dinge in den Mund.“ Auf die Frage, warum sein Stück zwei Akte habe, antwortet Beck­ett, ein Akt sei zu kurz, drei Akte seien zu lang.
Nicht aufhören zu kön­nen, auf einen zu warten, der nicht kommt — das ist grotesk, tragisch, komisch. Beck­ett wird deshalb zum Erfind­er des absur­den The­aters ernan­nt. Doch er lehnt diesen Titel für sich ab. Ihn inter­essiert die Form. Eine Antwort auf die drän­gen­den Fra­gen der Men­schheit könne die Kun­st nicht geben. „Der Kün­stler aber kann para­dox­er­weise ger­ade durch die Form einen Ausweg find­en, indem er das Form­lose formt.“ Vielle­icht liege auf dieser Ebene eine tief­ere Aus­sage.“
(WDR, Moni­ka Buschey, David Rother)

Sie kön­nen die Sendung, die am 5.1.2023 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

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