Musikalische Experimentierlaune
In der Mitte des 18. Jahrhunderts macht sich ein tiefgreifender Wandel in der Musik bemerkbar: Das in der Barockmusik seit gut 150 Jahren dominierende Strukturprinzip des Generalbasses oder Basso continuo (= ital. „fortlaufender, ununterbrochener Bass“) wird in der Frühklassik von einer melodisch orientierten Kompositionsweise abgelöst, deren galanter und anmutiger Stil sich vom eher „biederen“ Barock abhebt und deren Melodieerfindungen oftmals einem an die volkstümliche Musik angelehnten schlichten Duktus folgen. In dieser Phase großer musikalischer Experimentierlaune entwickelt sich die durch die Besetzung mit Solo-Violine und begleitendem Basso continuo definierte barocke Violinsonate in zwei verschiedene Richtungen weiter: Aus der einfachen Besetzung des Basso continuo mit lediglich einem Tasteninstrument (Cembalo) entsteht die „klassische“ Sonate für Violine und Klavier, wie sie sich bei Mozart und Beethoven in Vollendung wiederfindet. Aus der größeren Besetzung des Basso continuo mit einem Tasteninstrument (Cembalo) und einem Streichbass (Viola da Gamba oder Violoncello) hingegen entwickelt sich parallel das Klaviertrio, das sich bereits mit den weit verbreiteten Kompositionen Haydns einen festen Platz im Kammermusikrepertoire des späten 18. Jahrhunderts erobert.
An dieser musikhistorischen „Nahtstelle“ bewegt sich das fünfte Konzert der Reihe Papier.Klänge – Musikalische Kostbarkeiten aus westfälischen Sammlungen, das am Mittwoch, 1. Juli 2015 um 18 Uhr c.t. in der Galerie der ULB Münster stattfinden wird. Im musikalischen Programm dieses Werkstattkonzerts wird eine hochbarocke Violinsonate des italienischen Geigenvirtuosen Giovanni Antonio Piani (1678–1760) umrahmt von zwei frühklassischen Trios für obligates Cembalo, Violine und Bass der Komponisten Leopold Hofmann (1738–1793) und Johann Baptist Mosmayr (Wirkungszeit um 1770–1800). Diese selten gespielten und teilweise nur in der Musiksammlung der ULB Münster überlieferten Werke dokumentieren nicht nur die musikalischen Umbrüche ihrer Zeit, sondern geben gleichzeitig Zeugnis von der hohen Musikkultur, wie sie in den westfälischen Schlössern Hohenlimburg (Violinsonate von Piani) sowie Nordkirchen (Trios von Hofmann und Mosmayr) gepflegt wurde.
Ausführende in diesem Konzert sind Musiker des Ensembles con moto: Burkard Rosenberger (Violine), Paula Rommel (Viola da Gamba) und Harald Schäfer (Cembalo). Der Eintritt ist frei, Spenden zur Deckung der Kosten sind willkommen.