Nachlass Heinrich Scholz

Wenn ein Forscher als Forscher zu mir spricht, so muss ich sicher sein, dass ich fragen darf: ist das wahr, was er sagt, oder ist es falsch? Wenn ich nicht mehr so fragen darf, so habe ich es nicht mehr mit einem Forscher zu tun, sondern mit jemandem, der ein für allemal von einem Forscher verschieden ist, er sei auch, wer er sei.
Heinrich Scholz
Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein bedeutender schriftlicher Nachlass nichts dringender braucht als eine gesicherte Unterbringung, um ihn für die Nachwelt zu erhalten, und eine sorgfältige Erschließung.
Anonymus
Heinrich Scholz während einer Vorlesung (Foto)
© ULB

Zur Person

* 17. Dezember 1884 in Berlin
30. Dezember 1956 in Münster

Als Sohn des bekannten Theologen Hermann Scholz wuchs Heinrich Scholz in Berlin auf. Er studierte Philosophie und Theologie in Berlin und Erlangen. 1910 habilitierte er in den Fächern Religionsphilosophie und systematische Theologie, 1913 promovierte er in Erlangen im Fach Philosophie.

1917 erhielt Heinrich Scholz eine Stelle als ordentlicher Professor an der Universität Breslau. Ein langjähriges Magenleiden ersparte ihm die Teilnahme am Ersten Weltkrieg, führte allerdings zu Morphium-Behandlungen, etlichen Kuren und nach einem lebensbedrohlichen Zusammenbruch 1919 zu einer schweren Magenoperation. Heinrich Scholz hatte danach Zeit seines Lebens erhebliche gesundheitliche Probleme.

Von 1919 bis 1928 arbeitete Scholz als Ordinarius für Philosophie an der Universität Kiel, ab 1924 studierte er zusätzlich Mathematik und Physik. 1928 wurde Scholz als Ordinarius für Philosophie an die Universität Münster berufen. Hier widmete er sich besonders der mathematischen Logik und gründete die international bekannte "Gruppe von Münster". 1936 erhielt Heinrich Scholz einen Lehrauftrag für mathematische Logik und Grundlagenforschung. Im Oktober 1943 wurde er zum Ordinarius des ersten deutschen Lehrstuhls für Mathematische Logik und Grundlagenforschung ernannt, auf dessen bestens ausgestattete Bibliothek Scholz besonders stolz war. Zur Literaturerwerbung und zu Forschungszwecken pflegte er Kontakte zu Wissenschaftler*innen weltweit, u. a. auch zu Alan Turing. Zum Bestand seiner Institutsbibliothek gehörten die Nachlässe von Gottlob Frege (1848–1925) und Ernst Schröder (1841–1902). Besondere Kontakte hielt Scholz zu den polnischen Logiker*innen. So setzte er sich dafür ein, dass Jan Łukasiewicz 1938 einen Ehrendoktor der Universität Münster erhielt, und im Zweiten Weltkrieg versuchte er mithilfe seiner vielfältigen Beziehungen das schwere Los einiger Logiker*innen im besetzten Polen zu erleichtern.

Der Philosoph, Theologe und Logiker Heinrich Scholz schrieb unzählige Abhandlungen und auch Rezensionen. Er pflegte weltweite Kontakte zu führenden Wissenschaftler*innen seiner Zeit. Zu seinen Schüler*innen gehörten u. a. Gisbert Hasenjaeger, Hans Hermes und Karl Schröter.

Zum Nachlass

Nach dem Tod von Heinrich Scholz erbte seine Ehefrau Erna Scholz die Nachlassrechte. Der Nachlass befand sich in ungeordnetem Zustand, da Dokumente zu Lebzeiten von Heinrich Scholz sowohl im Institut als auch in seiner Privatwohnung aufbewahrt wurden. Prof. Hans Hermes äußerte sich in einem Schreiben vom 13.09.1957 an Prof. Gottfried Martin in Mainz folgendermaßen:

Nach dem Tode von Heinrich Scholz bin ich zunächst nicht dazu gekommen, mich wegen der Frege-Ausgabe mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Zunächst musste einmal der persönliche Besitz von Heinrich Scholz säuberlich vom Institutsbesitz getrennt werden, was sich nicht immer als einfach erwies. Dann habe ich hier alles sammeln lassen, was sich auf Frege bezog, was zum Teil an verschiedenen Stellen zerstreut war. Nachdem der Frege-Nachlass nunmehr gesichert ist, möchte ich mich mit Ihnen wieder in Verbindung setzten.

Notiz + Foto
Gisbert Hasenjäger fotografierte eine Nachlass-Sendung.
© ULB

Ein Teil des Scholz-Nachlasses – vor allem die wertvollen Fregiana (Frege-Archiv) und wichtige Werkmanuskripte – verblieben im Institut für Mathematische Logik und Grundlagenforschung in Münster, den anderen Teil der Dokumente nahm Erna Scholz 1957 bei ihrem Umzug aus Münster mit nach München, wo sie sich von Wilhelm Britzelmayr in Nachlassangelegenheiten beraten lies. Sowohl in München als auch in Münster wurden Nachlass-Ordnungen vorgenommen mit dem Ergebnis, dass von Erna Scholz mehrfach Konvolute zur endgültigen Institutsaufbewahrung zurück nach Münster geschickt wurden, im Gegenzug versandte man auch Scholziana aus dem Institut nach München.

Außerdem wurden im Laufe der Jahre große Teile des Scholz-Nachlasses zweimal zu Forschungszwecken an Wissenschaftler*innen verschickt; das aus dem Scholz-Nachlass ausgegliederte Frege-Archiv zog für einige Jahre zu Publikationszwecken nach Konstanz.

Ein großer Teil der Vorkriegskorrespondenz von Heinrich Scholz wurde bereits bei der kriegsbedingten Zerstörung seines Seminars am 10.10.1943 vernichtet. Erhalten blieben überwiegend Dokumente, die er damals in seiner Privatwohnung aufbewahrte. Nach seinem Tod kontrollierte Erna Scholz jahrzehntelang die Nutzung des Münchener Nachlassteils und scheint etliche Briefe, die von Wissenschaftler*innen an Heinrich Scholz gerichtet worden waren, an die Absender*innen zurückgegeben zu haben. Nur so ist es zu erklären, dass man einige Korrespondenzen heute nicht mehr im Nachlass von Heinrich Scholz, sondern in Archiven weltweit findet. Erna Scholz verschickte gelegentlich Originalbriefe zu Forschungszwecken an anfragende Wissenschaftler*innen. Dabei wurden einige Briefe von ihr aus Zensurgründen zerschnitten, um zu verhindern, dass persönliche Inhalte gelesen werden.

Der Münchener Nachlassteil wurde in den 1990er Jahren von Erna Scholz an das Institut für Mathematische Logik und Grundlagenforschung in Münster abgegeben. Das Institut übergab den Nachlass Heinrich Scholz zusammen mit dem Frege-Archiv im Sommer 2018 zur endgültigen Aufbewahrung und Erschließung an die Universitäts- und Landesbibliothek Münster.

Der Nachlass Heinrich Scholz umfasst 137 Archivkapseln und ist zusammen mit der Sammlung Frege in einer Findliste erschlossen. Mit der Katalogisierung im Verbundsystem Kalliope wurde im Mai 2023 begonnen. Der Nachlass enthält u. a.

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