Missionstätigkeit in Tibet

Della Penna di Billi, Francesco Orazio: Missio Apostolica, Thibetano-Seraphica. Das ist: Neue durch Päbstlichen Gewalt in dem Grossen Thibetanischen Reich Von denen P.P. Capucineren aufgerichtete Mission Und über solche Von R.P. Francisco Horatio della Penna, Praefecto Missionis, der Heil. Congregation de propaganda Fide, Anno 1738 beschehene Vorstellung. – München: Vötter 1740.
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Franz von Assisi war der erste Ordensgründer, der ein eigenes Kapitel über die Mission in seine Regel aufnahm (12. Kapitel), weil er überzeugt war, dass das Evangelium nicht nur den Christen vorbehalten bleiben dürfe, sondern zu allen Menschen getragen werden müsse. Seine Predigt vor dem Sultan in Ägypten 1219 spricht dafür. In der gleichen Tradition stehen die Kapuziner. Über Konstantinopel hinaus gelangten sie im 17. und 18. Jahrhundert bis nach Tibet und China.

Über das missionarische Wirken der Kapuziner in Tibet berichtet das vorliegende Buch. Der Verfasser ist P. Franziskus Horatius della Penna (1680–1745). Er kam 1712 als Missionar nach Tibet, wo er 33 Jahre lang wirkte, ab 1720 als Apostolischer Präfekt. Er verfasste Schriften und Studien über die Geschichte Tibets, über die Religion und die Sprache – vor allem zum Gebrauch der Missionare. Er verbreitete religiöse Schriften in der Landessprache und verfasste ein italienisch-tibetanisch-nepalesisches Wörterbuch. Viele seiner Schriften wurden neu aufgelegt und teilweise übersetzt. So auch das vorliegende Werk.

Das Werk erschein erstmals 1738 auf italienisch, bereits 1740 wurde es laut Vermerk auf dem Titelblatt aus dem Welschen in das Teutsche von P. Emerich von Perlach übersetzt. Er fertigte die Übersetzung auf Betreiben des Kardinals Bellanga an, eines eifrigen Missionsförderers, zur Ehre Gottes und allen des catholischen Glaubens eyfrigen Seelen zu Lieb.

Auf dem Hintergrund jahrelanger persönlicher Beobachtungen und Erfahrungen beschreibt P. Franziskus Horatius sehr detailliert im ersten Buch seines Werkes die »Thibetische Religion und Lebensarth«, so etwa die religiösen Strukturen, das religiöse Brauchtum und besonders den Glauben an die Seelenwanderung (mit Bild und Erklärung der tibetischen Transmigrationstafel in Kapitel 21).

Vater unser (Seite aus Missio Apostolica)
Abb.: Beispiele tibetischer Münzen und tibetischer Sprache. Oben ein Gebetsruf, unten das Vaterunser auf tibetisch.
© ULB

Im zweiten Buch geht es um den »Anfang der Thibetischen Mission« durch die Kapuziner im Jahre 1704, um ihr Wirken, ihre ersten Niederlassungen, ihre Begünstigungen durch den Groß-Lama, um ihr Bemühen, die christliche Botschaft auch schriftlich weiterzutragen und um die Hoffnung auf eine Ausweitung ihres Wirkens bis nach China.

Das geplante dritte Buch über den »Fortgang dieser neuen Thibetischen Mission« ist nicht mehr erschienen. Die Kapuziner wurden auf Betreiben der Priester des Lama Anfang 1745 gezwungen, Tibet zu verlassen und in die benachbarten Regionen Hindustans auszuweichen.

Eine bedeutende Ergänzung der Ausführungen von P. Franziskus Horatius sind die vom Übersetzer hinzugefügten Briefe und Urkunden, so etwa der Gewalt- und Freyheitsbrief vom obersten Groß Lama und dem König denen Capucineren zu einem Convent und Kirchen-Gebäu bewilliget (2. Buch, Kapitel 18). Interessant sind die fast jedes Kapitel abschließenden kurtze Sitten-Lehren ... zum Frommen des Lesers, in denen der Übersetzer etwa im Blick auf die Gottesverehrung, das Beten und Fasten der Tibeter die christliche Praxis der Gottesverehrung, des Betens und Fastens kritisch hinterfragt.

Bemerkenswert ist die Achtung der Kapuzinermissionare vor den religiösen Riten und Gewohnheiten der Menschen in Tibet, auch wenn sie aus christlicher Sicht in Finsternis leben. Hier wird das missionarische Anliegen des Franziskus von Assisi deutlich, das sich auch im franziskanischen Missionsstatut niederschlägt: Frieden zu leben und so Frieden zu stiften.

Frontispiz der Missio Apostolica
Abb.: Frontispiz der Missio Apostolica: Die Kapuziner machen sich in göttlicher – durch Maria vermittelter – Sendung auf zu den Menschen in Tibet, um ihnen das Licht des Evangeliums zu bringen.
© ULB

Das Frontispiz zeigt sehr anschaulich die göttliche (Dreieck mit Auge als Symbol der Weisheit des Dreifaltigen Gottes), durch Maria vermittelte Sendung der Kapuziner zu den Menschen in Tibet, die gleichsam einladend die Karte ihres Landes entrollen.

Die Sprechfahnen deuten das Wort Mission mit Zitaten aus dem biblischen Lobgesang des Zachäus: [Uns wird besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe] um allen zu leuchten, die im Finstern sitzen und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens (Lk 1,78.79). Die Bildunterschrift weist in die gleiche Richtung: Wie schön sind die Schritte derer, die den Frieden, die das Gute verkünden (Röm. 10,15).

Literaturhinweis

Frömmigkeit & Wissen. Rheinisch-Westfälische Kapuzinerbibliotheken vor der Säkularisation. Hrsg. von Reinhard Feldmann u.a. – Münster: ULB 2003