Lesen wie im Kloster
In den Klöstern des späten Mittelalters wurde nicht nur fleißig geschrieben, sondern auch viel gelesen. Bestseller waren vor allem die Biografien der einem Kloster zugehörigen Heiligen und Ordensgründer. So auch im Kölner Kartäuserkloster St. Barbara, wo natürlich der Ordensgründer des Kartäuserordens, der Hl. Bruno von Köln, und der Hl. Hugo von Lincoln, Kartäusermönch und ab 1186 Bischof der englischen Diözese Lincoln, von großem Interesse waren.
So ist nicht verwunderlich, dass in einem „Lesebuch“ des Klosters die Viten dieser beiden Heiligen enthalten sind und es, für alle zugänglich, im Refektorium der Laienbrüder aufbewahrt wurde, um während des wöchentlichen gemeinsamen Mahls daraus vorzulesen.
Dieses „Lesebuch“ ist Teil der Bibliothek Fürstenberg-Stammheim, die sich seit 1904 zunächst als Depositum und seit 1988 im Besitz der ULB und deren Sammlung mittelalterlicher Buchhandschriften (Cod 51) befindet.
Vor 3 Jahren erschlossen und digitalisiert, steht die Handschrift in diesem Sommersemester im Mittelpunkt des Masterseminars „Lesen wie im Kloster. Transkription und Kontextualisierung eines spätmittelalterlichen hagiographischen Lesebuchs aus der ULB Münster“ von Prof. Sita Steckel.
Frau Steckel und die 10 Teilnehmer des Seminars freuen sich zurzeit natürlich besonders über das Digitalisat, welches das zentrale Arbeitsinstrument ist.
Das Seminar führt in die Beschreibung und Transkription spätmittelalterlicher Handschriften ein. Dabei werden unter Anleitung Textpassagen transkribiert und aus einer Dialektform des Frühneuhochdeutschen (dem in Köln üblichen Ripuarisch) in heutige Sprache übersetzt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Kontextualisierung der Handschrift. Auf der Basis aktueller Forschungen werden dazu einerseits die Kölner Kartause, der Kartäuserorden und die kartäusische Hagiographie, andererseits Frömmigkeits- und Lesepraktiken um 1500 diskutiert.
Möglicherweise steht am Ende des Seminars die spätere Erstellung einer digitalen Edition.