2. Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch und die Nichteinführung der Bagatellklausel:
2.1. Die Privatkopie, § 53 Abs. 1 UrhG-RegE [2]:
Eine der im Rahmen der allgemeinen Debatte zur Urheberrechtsreform am meisten diskutierten Vorschriften ist die Regelung zur Privatkopie. Diese Bestimmung erlaubt es dem Nutzer zum privaten Gebrauch analoge und digitale Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke vorzunehmen (§ 53 Abs. 1 UrhG). Bei dieser Regelung wird es auch in Zukunft bleiben. Insbesondere ist auch die digitale Privatkopie trotz heftiger Kritik von Teilen der Verwerterseite weiterhin zulässig. Gleichzeitig bleibt die Regelung der Privatkopie weiterhin nicht durchsetzbar gegen wirksame technische Schutzmaßnahmen des Rechteinhabers. Das bedeutet, dass die Nutzer wirksame technische Schutzmaßnahmen der Rechteinhaber auch dann nicht eigenmächtig umgehen dürfen, wenn das Ziel der Nutzung die ohne den Einsatz der Kopierschutzmaßnahmen zulässige Vervielfältigung des Werkes zum privaten Gebrauch ist. Damit steht es im Rahmen der Vorschrift des § 53 Abs. 1 UrhG letztlich allein im Ermessen des Rechteinhabers, ob er die Möglichkeit von digitalen Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch dulden möchte oder durch den Einsatz technischer Schutzmaßnahmen verhindert.
Eine weitere Voraussetzung für die Vornahme einer rechtmäßigen Privatkopie war schon nach bisheriger Gesetzeslage, dass die Vervielfältigung nicht von einer offensichtlich rechtswidrig „hergestellten“ Vorlage vorgenommen worden sein durfte (§ 53 Abs. 1 S. 1 UrhG). An diese Formulierung knüpfte sich die Diskussion, ob auch dann eine rechtswidrige Vervielfältigung vorliege, wenn die Vorlage für diese zwar ursprünglich rechtmäßig z.B. im Rahmen der Privatkopie hergestellt wurde, im Anschluss daran aber mangels entsprechender Nutzungsrechte rechtswidrig im Internet öffentlich zugänglich gemacht worden ist. An dieser Stelle stellt der Regierungsentwurf nunmehr klar, dass nicht nur die Vervielfältigung von offensichtlich unrechtmäßig hergestellten Kopien urheberrechtlich geschützter Werke unzulässig ist, sondern auch die Vervielfältigung, zwar rechtmäßig hergestellter aber unrechtmäßig im Internet öffentlich zugänglich gemachter Kopien [3]. Diese Änderung richtet sich vor allem gegen die privaten Peer-to-Peer-Tauschbörsen, in denen private Nutzer ihre zwar rechtmäßig als Privatkopie hergestellten, aber dann rechtswidrig ins Internet gestellten Musikdateien austauschen.[4] In diesen Fällen wird in Zukunft nach dem dann eindeutigen Wortlaut der Vorschrift von einer rechtswidrigen Nutzung auszugehen sein.
2.2. Die Nichteinführung der Bagatellklausel:
Anders als noch in dem vom Bundesjustizministerium im Januar 2006 vorgelegten Referentenentwurf geplant,[5] wird im aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung von der Einführung einer sog. Bagatellklausel abgesehen werden.[6] Dieser viel diskutierten Regelung zur Folge sollte in den Fällen eine strafrechtliche Verfolgung entfallen, in denen der Täter lediglich eine geringe Anzahl illegaler Vervielfältigungen zum eigenen privaten Gebrauch oder zum privaten Gebrauch von mit ihm persönlich verbundenen Personen vorgenommen hatte.[7] Mit dieser Regelung sollten insbesondere Urheberrechtsverletzungen privater Endnutzer straffrei gestellt werden, die sich Musik zum privaten Gebrauch in geringer Zahl im Rahmen von illegalen Internettauschbörsen downloaden.[8] Der damalige Entwurf sah in solchen Urheberrechtsverletzungen Bagatellfälle von nur geringem Unrechtsgehalt, deren strafrechtliche Verfolgung aufgrund ihrer weiten Verbreitung in der Bevölkerung nur zu einer rechtspolitisch unerwünschten „Kriminalisierung der Schulhöfe“ führen würde.[9] Gegner der Bagatellklausel sahen in der Regelung stattdessen ein rechtspolitisch falsches Signal, welches weite Teile der Bevölkerung in ihrem in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen ohnehin nur mangelnd ausgeprägten Unrechtsbewusstsein weiter bestätigen würde. Der breite Widerstand gegen die Einführung eines solchen Strafausschließungsgrundes führte schließlich zur Abkehr von der Bagatellklausel. Somit bleibt es auch bei Verstößen im „Bagatellbereich“ bei der Strafbarkeit von vorsätzlichen Urheberrechtsverletzungen.
Nadine Kalberg, LL.M.
Institut für Informations-, und Telekommunikations- und Medienrecht (ITM)
[2] Text des zurzeit gültigen "Gesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte" z.B. unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/urhg/gesamt.pdf
[3] Begründung des Regierungsentwurfs aaO., S. 34.
[4] Begründung des Regierungsentwurfs aaO.; S. 55.
[5] Entwurf eines (zweiten) Referentenentwurfes für ein zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft Januar 2006, http://www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/bmj/2006-01-03-Gesetzentwurf.pdf
[6] Begründung des Regierungsentwurfs aaO. S. 34.
[7] Vgl. § 106 Abs. 3, Referentenentwurf vom Januar 2006 aaO., S. 14.
[8] Begründung des Referentenentwurfs vom Januar 2006 aaO., S. 75.
[9] Begründung des Referentenentwurfs vom Januar 2006 aaO., S. 75.