„Obwohl er traditionelle, strenge Vers- und Strophenformen bevorzugte, gilt Charles Baudelaire als Begründer der modernen Lyrik. Denn er spiegelte in seinen Gedichten die Hässlichkeit des Großstadtlebens und kritisierte den Fortschrittsoptimismus.
Charles Baudelaires Gedichtband „Les Fleurs du Mal“ ist ein Skandal und eine Sensation zugleich. Erstmals macht ein Dichter das neue Paris mit seinen vom Architekten Georges-Eugène Baron Haussmann entworfenen breiten Boulevards und den riesigen Bahnhöfen zum Helden der Lyrik.
Personal von Baudelaires in kunstvoll-klassischen Alexandrinern verfertigten Versen sind die bisher auch von den Dichtern missachteten Underdogs der Großstadt: Bettler, Lumpensammler und Prostituierte, Trinker, Süchtige und Spieler.
Dandytum und Drogenrausch
Geboren wird Baudelaire am 9. April 1821. Sein Vater stirbt bereits fünf Jahre später; die Konflikte mit dem autoritätsfixierten Stiefvater, einem Offizier, bestimmen die Kindheit des Freigeists. Später für ein Jurastudium vorgesehen, bevorzugt Baudelaire die Pariser Literatur- und Bordellszene sowie die illegalen Drogen, denen er 1860 den Essay „Die künstlichen Paradiese“ widmet.
1842 kommt Baudelaire, volljährig geworden, in den Besitz des väterlichen Erbes. Nachdem er als Bohemien und Flaneur innerhalb von zwei Jahren 50.000 Goldfrancs verprasst, setzt seine Mutter ihm gerichtlich einen Vormund vor: eine enorme narzisstische Kränkung für den angehenden scharfsinnigen Dichter, der bereits sporadisch einige Gedichte in Zeitschriften veröffentlicht hat.
1848 geht Baudelaire für die Februarrevolution auf die Barrikaden, zieht sich nach dem Staatsstreich Napoleons III. aber politisch gänzlich zurück. Literarisch hat er sich da schon als Übersetzer Edgar Allan Poes einen Namen gemacht.
Mit „Les Fleurs du Mal“ bahnt der Dichter so der modernen Lyrik den Weg.
Genuss und Ekel
1857 erscheinen Baudelaires „Les Fleurs du Mal“ mit ihren zwischen Reflexion und Sinnlichkeit, Genuss und Ekel changierenden Gedichten. Der Band stößt auf geteilte Kritiken. „Das gefällt mir und bezaubert mich“, urteilt ein enthusiastischer Gustave Flaubert. „Ich liebe Ihre Schärfe mit ihren sprachlichen Köstlichkeiten.“ Im „Figaro“ hingegen erscheint ein Verriss.
Dieser ruft die Zensur des Zweiten Kaiserreichs auf den Plan. Die Behörde nimmt Anstoß am dunkel-erotischen, „verderblichen“ Zauber einiger Gedichte. Baudelaire wird wegen „Verhöhnung der öffentlichen Moral und der guten Sitten“ zu einem Bußgeld von 300 Francs verurteilt und muss insgesamt sechs Gedichte streichen. Sie fehlen auch in der zweiten, 1861 um 35 neue Gedichte erweiterten zweiten Auflage und werden erst in eine posthume Fassung wieder aufgenommen.?
1864 Baudelaire, von seiner Syphilis stark angeschlagen, vor seinen Gläubigern nach Brüssel. Nach einem Schlaganfall holt ihn seine Mutter nach Paris zurück. Hier stirbt er 1867. Heute gilt er als Vorläufer des Symbolismus und entscheidender Wegbereiter der Moderne.“ (WDR, Christoph Vormweg, Hildegard Schulte)
Sie können die Sendung, die am 9.4.2021 in der Reihe „ZeitZeichen“ lief, über die Seite des WDR nachhören oder als Audiodatei herunterladen.
In der Sendung kommt übrigens u.a. Prof. Dr. Karin Westerwelle vom Romanischen Seminar der WWU zu Wort!