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WDR ZeitZeichen zu Karl Dedecius

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Uner­müdlich über­set­zt Karl Dede­cius pol­nis­che Lyrik ins Deutsche: erst Dich­tung der Gegen­wart, dann die Klas­sik­er. Als Leit­er macht er das Deutsche Polen-Insti­tut in Darm­stadt zum Mit­telpunkt der Polonis­tik in Deutsch­land.
„Du über­set­zt / mein gedächt­nis / in dein gedächt­nis / mein schweigen / in dein schweigen // das wort leucht­est du aus / mit dem wort / heb­st das bild / förder­st das gedicht / aus dem gedicht / zutage // verpflanzt / meine zunge / in eine fremde // dann/ tra­gen meine gedanken / früchte / in dein­er sprache.“
So beschreibt der pol­nis­che Dichter Tadeusz Rózewicz in seinem Gedicht „An den Über­set­zer K. D.“ die Tätigkeit von Karl Dede­cius. Ein größeres Kom­pli­ment kann man einem Über­set­zer kaum machen.

Wehrma­cht statt Uni­ver­sität
Geboren wird Dede­cius am 20. Mai 1921 in der pol­nis­chen Indus­tri­es­tadt Lódz. Mit der schwäbis­chen Mut­ter spricht er deutsch, mit dem schle­sisch-böh­mis­chen Vater pol­nisch und mit der Groß­mut­ter böh­misch. „Klein-Europa“ sei seine Umge­bung gewe­sen, wird er sich später erin­nern: „Und so wur­den wir erzo­gen zu ein­er Sym­biose mit allen Kul­turen und Natio­nen.“
Dede­cius spielt Geige und Bratsche, ver­fasst Satiren in altrömis­chem Stil und ver­bringt eine unbeschw­erte Schulzeit. Mit dem Krieg zer­bricht die Idylle: Statt an der Uni­ver­sität The­ater­wis­senschaft zu studieren, muss er zum pol­nis­chen Arbeits­di­enst, nach dem deutschen Über­fall auf Polen 1939 zur Wehrma­cht. Man schickt ihn in die Hölle von Stal­in­grad. Russen ziehen den ster­ben­skrank Zurück­ge­lasse­nen aus dem Schnee.

Erst Zeitgenossen, dann Klas­sik­er
In den sieben Jahren als Kriegs­ge­fan­gener lernt Dede­cius per­fekt rus­sisch, über­set­zt Ler­mon­tov und Puschkin. Nach sein­er Ent­las­sung zieht er 1950 zu sein­er Ver­lobten in die DDR, wo er in Weimar eine Anstel­lung als Redak­teur beim The­aterin­sti­tut find­et. Zwei Jahre später über­siedelt die Fam­i­lie in den West­en. Dede­cius macht Kar­riere in ein­er Ver­sicherung – und find­et einen Chef, der ihm für seine Lei­den­schaft, das Über­set­zen, den nöti­gen Freiraum bietet.
So entste­hen ins­ge­samt 60 Antholo­gien pol­nis­ch­er Dichter, die erste 1959. Zunächst sind es Zeitgenossen wie Zbig­niew Her­bert oder die spätere Lit­er­atur-Nobel­preisträgerin Wis­lawa Szym­bors­ka, danach zunehmend auch Klas­sik­er. Dabei zeigt Dede­cius sein Tal­ent, spielerisch mit bei­den Sprachen umge­hen zu kön­nen. Völk­erver­ständi­gung auch mith­il­fe der Lit­er­atur ist dabeiein erk­lärtes Ziel.

Mit­telpunkt der Polonis­tik
Ende der 1970er Jahre set­zt sich Dede­cius vehe­ment für das 1980 in Darm­stadt gegrün­dete Deutsche Polen-Insti­tut ein, dessen Direk­tor er bis 1997 ist. Dede­cius macht es zum Zen­trum der Polonis­tik in Deutsch­land. Gefördert von der Bosch Stiftung, erscheinen 50 Bände der „Pol­nis­chen Bib­lio­thek“ vom Mit­te­lal­ter bis zur Gegen­wart.
Dede­cius erhält das Bun­desver­di­en­stkreuz, den Frieden­spreis des Deutschen Buch­han­dels, den „Weißen Adler“ als höch­sten Orden des pol­nis­chen Staats. In seinen let­zten Leben­s­jahren beschäftigt er sich wieder dezi­diert mit Über­set­zung. Dede­cius stirbt 2016 in Frank­furt am Main. Sein Nach­lass wird in der Europa-Uni­ver­sität „Viad­ri­na“ in Frank­furt an der Oder ver­wahrt. Ins­ge­samt hat er rund 100 Büch­er über­tra­gen, neben Lyrik auch Romane, Erzäh­lun­gen und Apho­ris­men.“
(WDR, Hild­burg Hei­der, Hilde­gard Schulte)

Sie kön­nen die Sendung, die am 20.5.2021 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

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