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WDR ZeitZeichen zu Sayyid Qutb

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Für einige ist Sayyid Qutb ein Mär­tyr­er, der zu Unrecht beschuldigt wor­den sei, den Jihad in der Form des „Heili­gen Krieges“ zu propagieren. Für andere hinge­gen ist er der Vater des ter­ror­is­tis­chen Islamis­mus.
Fest ste­ht, dass Sayyid Qutb viele Gesichter hat. Und seine ide­ol­o­gis­chen Überzeu­gun­gen in seinen zahlre­ichen Schriften immer wieder über den Haufen wirft.
Geboren wird Sayyid Qutb 1906 als zweites von fünf Kindern in einem Dorf in Oberä­gypten. Sein Vater ist Abge­ord­neter der Wafd-Partei, die für die Unab­hängigkeit Ägyptens von der britis­chen Kolo­nial­macht kämpft.
Sayyid Qutb wächst priv­i­legiert auf, darf in die Grund­schule, verehrt seine Lehrer wegen ihres Wis­sens fast abgöt­tisch, wie er in sein­er Auto­bi­ografie sel­ber schreibt. Zudem ist er bei aller Kri­tik an den als schmud­delig beschrieben Koran­schulen stolz darauf, den Koran selb­st­ständig auswendig zu ler­nen. Mit zehn Jahren kann er den „lügen­haften Zun­gen der Befür­worter der Koran­schule“ Paroli bieten.

Die Briten und die Men­schlichkeit
1921 zieht Sayyid Qutb zu seinem Onkel nach Kairo, verkehrt in lit­er­arischen Zirkeln, schreibt Gedichte und Lit­er­aturkri­tiken. Hier reift seine Überzeu­gung, dass die Eliten des Lan­des vor allem aus reichen Kap­i­tal­is­ten bestün­den, die kein Inter­esse daran hätte, die arme Mehrheit am poli­tis­chen Gestal­tung­sprozess zu beteili­gen. Aber eigentlich, ist Sayyid Qutb überzeugt, „berauben die Briten unser Land und seine Men­schlichkeit“.
Da ist Sayyid Qutb noch über­haupt nicht islamisch geprägt, im Gegen­teil: Für die boden­ständig-fromme, wenig intellek­tuelle Mus­lim­brud­er­schaft zeigt er kein­er­lei Sym­pa­thie.

Zunehmende Radikalisierung
Die Wende erfol­gt in den 1940er Jahren. Sayyid Qutbs Buch „Soziale Gerechtigkeit und Islam“ macht das 1948 offen­sichtlich. Es ist geprägt vom Hass auf den dekaden­ten, sex­u­al­isierten, dem materiellen Fortschritt ver­fal­l­enen West­en und seine antire­ligiösen Strö­mungen. Ein Besuch in den USA ver­stärkt die Kluft noch. Als dann in Ägypten auch noch der Begrün­der der Mus­lim­brud­er­schaft ermordet wird, gibt er seine Dis­tanz zur Bewe­gung auf.
1954 kommt es zum Atten­tat auf den späteren Präsi­den­ten Gamal Abdel Nass­er, das der Mus­lim­brud­er­schaft ange­lastet wird. Massen­ver­haf­tun­gen sind die Folge, in deren Rah­men auch Sayyid Qutb zu 15 Jahren Gefäng­nis verurteilt wird.

Wichtiges Werk der jihadis­tis­chen Bewe­gung
Die bru­tal­en Haftbe­din­gun­gen radikalisieren ihn weit­er. Sayyid Qutb propagiert eine gold­ene Frühzeit des Islam; alle säku­laren Gesellschaften gelte es zu ver­nicht­en. Die 1964 pub­lizierte Koran-Inter­pre­ta­tion „Wegze­ichen“ wird zu einem der wichtig­sten Werke der jihadis­tis­chen Bewe­gung.
Nach ein­er erneuten Anklage wegen Mit­glied­schaft in ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung wird Sayyid Qutb am 29. August 1966 in Kairo gehängt. Er hin­ter­lässt hun­derte von Artikeln in Zeitun­gen und Zeitschriften sowie zahlre­iche Gedichte und einen tragis­chen Lieben­sro­man.“
(WDR, Mar­fa Heim­bach, Ronald Feisel)

Sie kön­nen die Sendung, die am 29.8.2021 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

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