„Er ist der erste isländische Schriftsteller mit Weltruhm: 1955 erhält Halldór Laxness den Literatur-Nobelpreis. Aber nicht alle seiner Landsleute sind von ihm begeistert.
Im „Volksbuch“, einer Sammlung von Essays, erklärt Halldór Laxness 1929 den Isländern die moderne Zeit. Im Aufsatz „Die Sauberkeit in Island“ unterstellt er ihnen, sie seien „Schmutzfinken“ und hätten einen „Hang zur Unreinlichkeit“. Sie müssten lernen, Zahnbürsten zu benutzen. Ihre Häuser müssten mit Toiletten und Badewannen ausgestattet werden.
Aus Sicht von Laxness ist Island rückständig. Die Agrargesellschaft des Landes ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch isoliert vom Rest der Welt. Laxness versucht, die Bevölkerung kulturell zu erziehen. Seinen polemischen Witz mögen allerdings nicht alle.
Zum Katholizismus konvertiert
An Selbstbewusstsein fehlt es Halldór Laxness schon in jungen Jahren nicht. Geboren wird er am 23. April 1902 als Halldór Gudjónsson in Reykjavik. Er wächst in der Nähe auf dem Bauernhof „Laxnes“ auf, den seine Eltern erworben haben. Weil er Dichter werden will, zieht er mit 17 nach Kopenhagen. Auf seinem Türschild steht „Halldór von Laxnes, Poet“.
Bald darauf veröffentlicht er seine ersten Kurzgeschichten. Doch Dänemark reicht ihm nicht. Halldór, der sich nun offiziell Laxness nennt, beginnt zu reisen. 1923 konvertiert er in Luxemburg zum Katholizismus und gibt sich einen zweiten Vornamen: Kilian.
Zum Sozialisten gewandelt
Seine Sinnsuche treibt ihn in die USA, wo er in Hollywood Fuß fassen will – ohne Erfolg. Dann verschreibt sich Laxness der sozialen Gerechtigkeit und wird Sozialist. Literarisch experimentiert er in den 1920er-Jahren mit Expressionismus, Surrealismus und Realismus. Als er 1930 nach Island zurückkehrt, hat er genügend Stoff für neue Texte im Gepäck.
Es entstehen die Romane „Salka Valka“, „Sein eigener Herr“ und „Weltlicht“. Laxness hat einen eigenen Stil: episch und doch straff komponiert, leidenschaftlich und doch ironisch, kritisch und doch fasziniert von seiner isländischen Heimat — von ihrer Natur und ihrer Geschichte.
Über 60 Bücher
Als Laxness mit Beginn des Zweiten Weltkrieges nicht mehr reisen kann, beschäftigt er sich mit der isländischen Saga-Tradition. „Die Islandglocke“ aus dem Jahr 1943 erzählt von jener Zeit der Dänenherrschaft über Island, in der der König in Kopenhagen das Land ausquetscht, um seine Kriege zu finanzieren.
In „Die Atomstation“ rechnet Laxness mit korrupten Politikern der Nachkriegszeit ab. 1955 wird er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Romane wie „Das Fischkonzert“ und „Am Gletscher“ folgen. Insgesamt schreibt er über 60 Bücher. Halldór Laxness stirbt am 8. Februar 1998 mit 95 Jahren.“
(WDR, Jutta Duhm-Heitzmann, David Rother)
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