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WDR ZeitZeichen zu Annemarie Schimmel

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Pio­nierin in ein­er Män­ner­domäne: Annemarie Schim­mel muss sich ihren Platz als Islamwis­senschaft­lerin erkämpfen. Doch dann beschädigt die ange­se­hene Pro­fes­sorin ihren Ruf.
Am 4. Mai 1995 wird der Ori­en­tal­istin Annemarie Schim­mel der „Frieden­spreis des Deutschen Buch­han­dels“ zuge­sprochen. Damit will sich der Börsen­vere­in gegen Ten­den­zen wen­den, die den Islam zum neuen Feind­bild machen. Die Ausze­ich­nung der 73-Jähri­gen sei „ein Zeichen für die Begeg­nung, nicht für die Kon­fronta­tion der Kul­turen“.
Doch noch am sel­ben Tag löst ein Inter­view in den ARD-„Tagesthemen“ einen Eklat aus. Schim­mel dis­tanziert sich darin zwar von islamistis­chem Ter­ror und verurteilt Mord­dro­hun­gen gegen Salman Rushdie. Gle­ichzeit­ig beze­ich­net sie aber dessen „Satanis­che Verse“ als „eine sehr üble Art, Gefüh­le ein­er großen Menge von Gläu­bi­gen zu ver­let­zen“.

„Sie dachte abso­lut nicht poli­tisch“
Schim­mel wird daraufhin vorge­wor­fen, sie vertei­di­ge die Fat­wa, jenes islamis­che Rechtsgutacht­en von Aya­tol­lah Khome­i­ni, das Rushdies Roman als todeswürdi­ges Verge­hen verurteilte. Sie rel­a­tiviere die Men­schen­rechte und unter­grabe das Recht auf freie Mei­n­ungsäußerung.
Die Wis­senschaft­lerin beteuert, sie habe erk­lären, nicht entschuldigen wollen. Doch sie find­et nur schw­er die passenden Worte. „Sie dachte abso­lut nicht poli­tisch“, sagt später ihr Kol­lege Ste­fan Wild. „Ihr Anliegen war die Ver­mit­tlung.“ Sie habe sich lebenslang als Brück­en­bauerin zwis­chen den Kul­turen ver­standen.

Dok­tor­ti­tel mit 19
Geboren wird Annemarie Schim­mel am 7. April 1922 in Erfurt. Der Vater ist Post­beamter, die Mut­ter stammt aus ein­er Seefahrerfam­i­lie. Mit sieben liest Annemarie ein Märchen, das im Gren­zge­bi­et zwis­chen Islam und Hin­duis­mus spielt: „Da habe ich gewusst, das ist meine Welt!“
Mit 15 begin­nt sie pri­vat Ara­bisch zu ler­nen, im Jahr darauf macht sie Abitur. Sie studiert Ara­bis­tik und Islamwis­senschaften in Berlin, wo sie mit 19 pro­moviert – mit­ten im Zweit­en Weltkrieg. Nach Kriegsende wird die Fam­i­lie nach Mar­burg evakuiert, wo sich die 23-Jährige im Jan­u­ar 1946 habil­i­tiert.

„Wenn Sie ein Mann wären“
Doch Schim­mel erhält keine Stelle. An der Uni Bonn wird ihr gesagt: „Wenn Sie ein Mann wären, dann kön­nte aus Ihnen was wer­den in der Wis­senschaft.“ Deshalb arbeit­et sie in der Türkei – als erste nicht-mus­lim­is­che Pro­fes­sorin an der islamisch-the­ol­o­gis­chen Fakultät in Ankara. Später lehrt sie 25 Jahre lang an der US-Uni­ver­sität Har­vard.
Die Spezial­istin für Islamis­che Mys­tik schreibt über 100 Büch­er und Artikel. Ihr bekan­ntestes Werk sind die „Mys­tis­chen Dimen­sio­nen des Islam“. Nach ihrer Emer­i­tierung 1992 kehrt Annemarie Schim­mel nach Deutsch­land zurück. Sie stirbt am 26. Jan­u­ar 2003 in Bonn.“

(WDR, Mar­fa Heim­bach, Mat­ti Hesse)

Sie kön­nen die Sendung, die am 7.4.2022 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

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