Bayern2 radioWissen: „Juliette Greco – Chanson-Legende und Schauspielerin“
„Die „grande dame de la chanson, die Muse der französischen Existentialisten: Juliette Gréco. Chansons wie „Je suis comme je suis“, „Bonjour, tristesse“ oder „Déshabillez-moi““ machten sie zum Star. Nicht nur als Sängerin, auch als Schauspielerin zählte sie zu Frankreichs größten Künstlerinnen.“
(Bayern 2, Frank Halbach)
Sie können die Sendung, die am 12.10.2021 auf Bayern 2 lief, über die Seite des BR nachhören oder als Audiodatei herunterladen.
WDR ZeitZeichen zu Juliette Gréco
„Warum gerade sie zur „Muse des Existenzialismus“, zum Symbol der Jugend ihrer Zeit erkoren wurde, darauf hat Juliette Gréco auch im hohen Alter keine Antwort. In den 1950er und 60er Jahren wird sie als „Große Dame des Chansons“ und Stilikone der modernen jungen Frau gefeiert – in Frankreich und den USA ebenso wie in Japan und der UdSSR.
Der Krieg ist vorbei, die Nazis sind endlich besiegt und Frankreich gehört wieder den Franzosen. Voller Lebensdurst feiert man in Paris die lang vermisste Freiheit. Vor allem in Saint-Germain des Prés, im Viertel der Künstler und Literaten, wo junge Intellektuelle wie Sartre, Beauvoir, Camus und Vian die Welt neu erfinden. Existenzialisten wird man sie bald nennen.
Und mitten in diesem Wirbel an neuen Ideen und Jazzklängen eine ernste Siebzehnjährige mit großen dunklen Augen, schwarzen Haaren und schwarzen Pullis, in geliehenen Hosen und geschenkten Schuhen. Mit Gesangsauftritten in den Kellerclubs des Viertels hält sie sich über Wasser – und fällt auf, nicht nur wegen ihrer Stimme.
„Niemand wusste, wer ich bin, aber ich war ein Ärgernis. Wenn ich ein Café betrat, hörten die Leute auf zu sprechen. Es wurde still, sie sahen mich an, als wollten sie sagen: Was ist denn das?“, erinnert sich Juliette Gréco, die „Muse des Existenzialismus“.
Ikone des Textchansons
Fotografen entdecken das hübsche Mädchen mit der unergründlichen Aura; Juliette Gréco wird zum „It-Girl“, zum weiblichen Phänotyp des jungen, rebellischen Geistes von Saint-Germain des Prés. Mit drei Gedichten, die Jean-Paul Sartre ihr schenkt und Joseph Kosma vertont, beginnt 1949 ihre Karriere. Wenn sie singt, stets in Schwarz, dann spiegeln ihr Gesicht und ihre wie Schmetterlinge flatternden Hände, wovon sie mit sonorer Altstimme erzählt.
Als Ikone des französischen Textchansons feiert Juliette Gréco mit Françoise Sagan rauschende Feste an der Côte d’Azur und gibt Konzerte auf der ganzen Welt. Auch der Film entdeckt die junge Französin, Jean-Pierre Melville gibt ihr 1953 die erste Hauptrolle. Drei Jahre später entführt sie ihr Geliebter, US-Produzent Darryl F. Zanuck, nach Hollywood, wo sie neben Ava Gardner, Errol Flynn und Orson Welles spielt.
Als Jugendliche in Gestapohaft
Bis in die 80er Jahre füllt Juliette Gréco die Konzertsäle, dann wird die im immer gleichen Schwarz erstarrte Ikone der Existenzialisten von der Zeit überholt. Mit 55 Jahren lüftet die „grande dame de la chanson“ in ihrer Autobiografie erstmals das Geheimnis ihrer bislang verborgenen Herkunft. Ein ungewolltes und ungeliebtes Kind sei sie gewesen, geboren am 7. Februar 1927 in Montpellier. „Meine Mutter war eine Frau, die man achten musste, aber nicht lieben konnte.“
Während der Besetzung durch die Nazis kämpft die Mutter in der Résistance. 1943 werden Juliette, ihre ältere Schwester und die Mutter von der Gestapo verhaftet. Die Jüngste kommt nach drei Wochen wieder frei und findet bei ihrer früheren Lehrerin ein Zuhause. Juliettes Mutter und Schwester werden ins KZ Ravensbrück deportiert und kehren erst 1945 völlig ausgemergelt heim.
Abschiedstournee mit 88
Zeitlebens nutzt Juliette Gréco ihren Ruhm, um die politische Linke zu unterstützen und gegen Rassismus und Homophobie mobil zu machen. Einige ihrer provokanten Chanson-Interpretationen bleiben lange Zeit in Frankreich verboten. Für Schlagzeilen sorgen auch Grécos wechselnde Affären mit Männern und Frauen. 1966 heiratet sie nach einer frühen, kurzen Ehe den Schauspieler Michel Piccoli, von dem sie sich nach elf Jahren wieder trennt.
Mit ihrem dritten Ehemann Gérard Jouannest, der sie als Pianist begleitet und viele ihrer Chansons schreibt, bleibt sie zusammen. Auch als die Gréco mit 88 Jahren ihre Abschiedstournee startet, ist Jouannest auf der Bühne an ihrer Seite. 2016 erleidet sie einen Schlaganfall und muss ihre „Merci!“-Konzerte beenden. Nach dem Tod ihres Mannes 2018 zieht sich Juliette Gréco in ihr Haus an der Côte d’Azur zurück, wo sie am 23. September 2020 stirbt.“
(WDR, Sabine Mann, Gesa Rünker)
Sie können die Sendung, die am 7.2.2022 in der Reihe „ZeitZeichen“ lief, über die Seite des WDR nachhören oder als Audiodatei herunterladen.