Permalink

0

WDR ZeitZeichen zu Emil Krebs

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Emil Krebs ist ein Sprach­wun­der: Der Dol­metsch­er arbeit­et während der Kolo­nialzeit für das Auswär­tige Amt in Chi­na und beherrscht 68 Sprachen. Wie geht das – so viele Sprachen ler­nen?

Wer viele Sprachen sprechen will, braucht nicht nur viel Tal­ent, son­dern auch Selb­st­diszi­plin. Emil Krebs, Dol­metsch­er und Lega­tion­srat an der deutschen Gesandtschaft in Peking, hat die Ange­wohn­heit, beim Ler­nen solange auf- und abzuge­hen, bis sich auf dem Tep­pich eine kreis­runde Spur abze­ich­net. Seine Frau Amande ist davon nicht ange­tan: „Ach Kreb­schen, wenn Du doch beim Lesen und Repetieren das beständi­ge Umher­laufen ein­stellen kön­ntest!“
Doch Krebs lässt sich nicht irri­tieren: „Mir das abzugewöh­nen: ganz gelun­gen ist es ihr noch nicht.“ Im Nach­lass sein­er Bib­lio­thek find­en sich später 71 Selb­stlern­hil­fen des Leipziger Hartleben-Ver­lags. Die Büch­er sind alle gle­ich aufge­baut. Diese Sys­tem­atik erlaubt das Sprachen­ler­nen im Akko­rd. Dabei ist allerd­ings Durch­hal­tev­er­mö­gen ange­sagt: Allein schon die Aussprache-Hin­weise in den Hartleben-Büch­ern lesen sich ganz schön kom­pliziert.

Für die deutsche Kolo­nial­macht in Chi­na
Bere­its seine erste Fremd­sprache bringt sich Emil Krebs selb­st bei — mith­il­fe eines Franzö­sisch-Wörter­buch­es, das der Neun­jährige in sein­er Dorf­schule find­et. Geboren wird Emil am 15. Novem­ber 1867 im schle­sis­chen Freiburg, dem heuti­gen Swiebodz­ice, als Sohn eines Zim­mer­manns. Als einziges der zehn Kinder studiert er in Berlin Jura, um sich beim Auswär­ti­gen Amt als Dol­metsch­er bewer­ben zu kön­nen. Par­al­lel dazu besucht er das „Sem­i­nar für ori­en­tal­is­che Sprachen und Kul­turen“ (SOS), wo er unter anderem Chi­ne­sisch lernt.
Als 1893 in Peking eine Stelle als Dol­metsch­er-Aspi­rant frei wird, reist Krebs nach Chi­na. Er hat viel zu tun: Deutsch­land als dama­lige Kolo­nial­macht möchte Anlegestellen in chi­ne­sis­chen Häfen bekom­men, Abbau­rechte für Kohle und Wegerechte für Eisen­bah­nen. Als 1897 zwei deutsche Mis­sion­are ermordet wer­den, ist das für Kaiser Wil­helm II. ein willkommen­er Vor­wand, um die Kiautschou-Bucht zu beset­zen, die schon länger als deutsch­er Marinestützpunkt und Han­delshafen vorge­se­hen ist.

Enger Kon­takt zu chi­ne­sis­chen Gelehrten
Wegen sein­er her­vor­ra­gen­den Chi­ne­sis­chken­nt­nisse sorgt Krebs vor Ort dafür, dass der Rück­zug der chi­ne­sis­chen Armee rei­bungs­los und ohne Gegen­wehr abläuft. Der zuständi­ge chi­ne­sis­che Gen­er­al lässt sich gefan­gen nehmen. Drei Jahre später wird Kiautschou per Ver­trag zum deutschen Pacht­ge­bi­et. Damit schließt Deutsch­land auch in Chi­na zu den anderen Kolo­nialmächt­en auf.
Während Krebs das Vorge­hen des Deutschen Kaisers damals noch klar unter­stützt, dis­tanziert er sich allmäh­lich vom deutschen Kolo­nial­is­mus. Er hat immer engeren Kon­takt zu chi­ne­sis­chen Gelehrten und sog­ar mit der Kaiserin-Witwe. 1920, als das Deutsche Reich keine Kolo­nial­macht mehr ist, schreibt er: „Die nun­mehr etwa achtzigjährige Geschichte der näheren Beziehun­gen Chi­nas zu den europäis­chen Staat­en stellt eine unun­ter­broch­ene Kette von Verge­wal­ti­gun­gen der ter­ri­to­ri­alen und sou­verä­nen Rechte Chi­nas auf poli­tis­chem, wirtschaftlichem und kul­turellem Gebi­et dar.“

Bis drei Uhr früh ler­nen
Nach­dem Krebs während des Ersten Weltkrieges Chi­na ver­lassen muss, arbeit­et er in Berlin im Sprachen­di­enst des Min­is­teri­ums weit­er. Tagsüber über­set­zt er amtliche Texte aus mehr als 40 Sprachen. Nachts lernt er manch­mal bis drei Uhr früh in sein­er Studier­stube im Berlin­er Wes­t­end eine Sprache nach der anderen. Der dama­lige Leit­er des Sprachen­di­en­stes, Paul Gau­ti­er, ist begeis­tert: „Krebs erset­zt uns 30 Außen­di­en­st­mi­tar­beit­er.“
Emil Krebs stirbt am 31. März 1930 während ein­er Über­set­zung an einem Hirn­schlag. Nach seinem Tod unter­suchen Forsch­er sein Gehirn – und ent­deck­en, dass ein für die Sprach­pro­duk­tion rel­e­vantes Are­al im Schläfen­bere­ich beson­ders aus­geprägt gewe­sen ist.“
(WDR, Ker­stin Hilt, David Rother)

Sie kön­nen die Sendung, die am 15.11.2022 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.