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Kennen Sie schon … das Inventar der Migrationsbegriffe?

Grafik zum Inventar der Migrationsbegriffe (https://www.migrationsbegriffe.de/) (via https://osnadocs.ub.uni-osnabrueck.de/handle/ds-202201035783)

Das Inven­tar der Migra­ti­ons­be­griffe inter­ve­niert in die aktu­el­len Diskus­si­o­nen über Flucht und Migra­tion. Es lenkt den Blick darauf, dass die Begriffe, mit denen über Migra­tion gespro­chen wird, das Pro­dukt von gesell­schaft­li­chen Kontro­ver­sen sind. Die Bedeu­tun­gen dieser Begriffe verschie­ben sich immer wieder – sie sind also histo­risch gewor­den und gemacht.

Spätestens seit 2015 wird in Poli­tik und Medi­en, Wis­senschaft und Gesellschaft inten­siv über die Gründe und Fol­gen gren­züber­schre­i­t­en­der Mobil­ität disku­tiert. Dabei scheint oft allzu selb­stver­ständlich, dass und wie sich unter­schiedliche Mobil­itäten und mobile Men­schen voneinan­der unter­schei­den: etwa die Flucht von der Geschäft­sreise oder der Gas­tar­beit­er von der exilierten Wis­senschaft­lerin. Doch die Begriffe und Kat­e­gorien, mit denen Men­schen und ihre Mobil­itäten beze­ich­net, geord­net, zähl- und regier­bar gemacht wer­den, sind keineswegs natür­lich und gegeben. Sie sind umstrit­ten, his­torisch gewor­den und gemacht.

Hier set­zt das Inven­tar der Migra­tions­be­griffe an: Es ist ein inter­diszi­plinäres Nach­schlagew­erk, das sich mit zen­tralen Begrif­f­en der aktuellen und his­torischen Debat­ten über Migra­tion beschäftigt. Es lenkt den Blick darauf, wie migra­tions­be­zo­gene Begriffe hergestellt wor­den sind, wie sie zwis­chen unter­schiedlichen gesellschaftlichen Bere­ichen zirkulieren und wie sich ihre Bedeu­tun­gen dabei ändern. Zen­trale Migra­tions­be­griffe wer­den darin nicht ein­deutig definiert. Die Autor:innen arbeit­en vielmehr ihren unter­schiedlichen und umstrit­te­nen Gebrauch her­aus, sie ver­weisen auf das his­torische Gewor­den­sein der Begriffe und leg­en ihre poli­tis­chen Imp­lika­tio­nen offen. Denn, so unsere Über­legung, im verän­derten Gebrauch und in der Ver­bre­itung neuer Begriffe – wie der Rede von ‚Bleibeper­spek­tive‘ oder von ‚Wirtschafts­flüchtlin­gen‘ – verdicht­en sich über­greifende gesellschaftliche und kul­turelle Wand­lung­sprozesse. Gle­ich­es gilt für Kon­flik­te, die sich am Gebrauch bes­timmter Begriffe entzün­den, und die in der Ver­bre­itung alter­na­tiv­er Sprech­weisen mün­den kön­nen. Zudem erlaubt die Beschäf­ti­gung mit der Frage, wo Begriffe herkom­men – von wo aus sie in die öffentliche Diskus­sion oder in Ver­wal­tung­sprozesse gelan­gen – einen Ein­blick in das Wech­selver­hält­nis von Poli­tik, Medi­en und Wis­senschaft.

Die Auswahl der Begriffe ori­en­tiert sich an ihrer Diskursmächtigkeit, an ihrer Prax­is­rel­e­vanz und daran, dass sie aus Sicht der Migra­tions­forschung eine kri­tis­che Prob­lema­tisierung in beson­der­er Weise erfordern. Das kön­nen Begriffe sein, an denen sich bere­its zahlre­iche Kon­tro­ver­sen entzün­det haben, von ‚Inte­gra­tion‘ bis ‚Rasse‘. Es kön­nen aber auch solche sein, die ver­meintlich ein­deutig erscheinen und deswe­gen in der Regel zu wenig kri­tisch hin­ter­fragt wer­den, wie ‚Diver­sität‘ oder „(frei­willige) Rück­kehr“. Voll­ständig oder repräsen­ta­tiv ist eine solche Auswahl nicht. Die aus­gewählten Begriffe des Inven­tars verbindet aber, dass sich an ihnen zen­trale Kon­flik­tlin­ien, ein­flussre­iche For­men des Nach­denkens über Nation und Gesellschaft und bedeut­same his­torische Entwick­lun­gen beson­ders gut aufzeigen lassen. Das Inven­tar gibt damit einen Ein­blick in gesellschaftliche Selb­stver­ständi­gung­sprozesse und hil­ft die Kon­flik­te zu ver­ste­hen, die sich am Sprechen über Migra­tion und Gesellschaft immer wieder entzün­den – auch, um seine Leser:innen zu motivieren, sich informiert und reflek­tierend in Diskus­sio­nen über Migra­tion einzu­mis­chen.

Das Inven­tar der Migra­tions­be­griffe ist ein Pro­jekt des Insti­tuts für Migra­tions­forschung und Interkul­turelle Stu­di­en (IMIS) der Uni­ver­sität Osnabrück. Entwick­elt wurde es zwis­chen 2019 und 2021 in der ersten Förder­phase der am IMIS ange­siedel­ten und vom Nieder­säch­sis­chen Vor­ab der Volk­swa­gen­S­tiftung finanzierten Nach­wuchs­gruppe „Die wis­senschaftliche Pro­duk­tion von Wis­sen über Migra­tion“, die einen zen­tralen Beitrag zur Weit­er­en­twick­lung der reflex­iv­en Migra­tions­forschung leis­ten möchte.

https://www.migrationsbegriffe.de/das-projekt

Die Artikel zu den einzel­nen Begrif­f­en wer­den zunächst im Blog im Pro­jek­tes sowie – für eine langfristige Archivierung – auf dem Repos­i­to­ry der UB Osnabrück veröf­fentlicht. 2023 soll eine Auswahl außer­dem als Buch­pub­lika­tion erscheinen.

Das Team hin­ter dem Inven­tar ist unter @MigInventar auch auf Twit­ter vertreten.

Und übri­gens: Das Pro­jekt hat den Open-Access-Preis der Uni Osnabrück 2022 gewon­nen!

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