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WDR ZeitZeichen zu Albert Camus

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Große Freude über den Lit­er­aturnobel­preis? Nicht für Schrift­steller Albert Camus! Der Autor der welt­berühmten Romane „Der Fremde“ und „Die Pest“ fühlt sich nach der Bekan­nt­gabe der Ausze­ich­nung gar nicht gut.
„Nobel­preis. Eige­nar­tiges Gefühl der Niedergeschla­gen­heit und der Wehmut“, schreibt der franzö­sis­che Schrift­steller Albert Camus am 17. Okto­ber 1957 in sein Notizheft. Zuvor hat er offiziell erfahren, dass er tat­säch­lich den Lit­er­aturnobel­preis erhält. Die Nachricht über die Entschei­dung der Schwedis­chen Akademie war bere­its am Vor­abend nach Paris durch­gesick­ert.
„Auch Wochen danach hat er immer wieder Panikat­tack­en und Angstzustände“, sagt Hol­ger Van­icek, Präsi­dent der Albert-Camus-Gesellschaft in Aachen. „Diese hohe Ausze­ich­nung hat ihn enorm unter Druck geset­zt.“ Das ges­pal­tene Echo in den Medi­en quält den Preisträger. Neben viel Beifall gibt es boshafte Kri­tik aus dem recht­en Lager am linken Camus: Er sei ein Philosoph für Abiturk­lassen und sein Human­is­mus ver­al­tet.

Keine Unter­stützung von Sartre
Gegen diese Anfein­dun­gen wird Camus von der Linken nicht vertei­digt. Im Kreis um Jean-Paul Sartre und Simone de Beau­voir gilt der 43-Jährige als passé, weil er sich 1951 in sein­er Essay-Samm­lung „Der Men­sch in der Revolte“ gegen alle Ismen gestellt hat – vor allem gegen den Kom­mu­nis­mus.
Der 1913 in der franzö­sis­chen Kolonie Alge­rien geborene Camus ver­tritt zudem im Alge­rien-Kon­flikt eine mod­er­ate Hal­tung. Während sich Sartre für die algerische Unab­hängigkeit ein­set­zt, glaubt Camus an ein gle­ich­berechtigtes franzö­sis­ches Alge­rien. Die bei­den Exis­ten­zial­is­ten ken­nen sich aus der Résis­tance. Sartre arbeit­ete damals bei der Wider­stand­szeitung „Com­bat“ mit, die Camus leit­ete.

Panik und Gle­ichgewichtsstörun­gen
Zwei Tage nach der Ernen­nung zum Lit­er­aturnobel­preisträger schreibt Camus in sein Notizheft: „Erschrock­en über das, was mir zustößt und was ich nicht ver­langt habe. Und zur Krö­nung des Ganzen so gemeine Angriffe, dass es mir das Herz zuschnürt.“
Camus Unwohl­sein wirkt sich auch kör­per­lich aus. Seit seinem 17. Leben­s­jahr ist er an Tuberku­lose erkrankt, die noch nicht durch Medika­mente behan­delt wer­den kann. Den Okto­ber 1957 resümiert er mit den Worten: „Im Ver­lauf des Monats drei Erstick­ungsan­fälle, ver­schlim­mert durch klaus­tro­pho­bis­che Panik. Gestörtes Gle­ichgewicht.“

Spende für spanis­che Anar­chis­ten
Als Camus im Dezem­ber 1957 zur Ver­lei­hung des Nobel­preis­es nach Schwe­den fährt, ist bei seinem Auftritt in Stock­holm von seinen Äng­sten nichts zu spüren. Seine Erfahrun­gen als Schaus­piel­er und Regis­seur scheinen ihm zugutezukom­men. In sein­er Dankesrede bringt er sein Selb­stver­ständ­nis als engagiert­er Schrift­steller auf den Punkt: „Der Adel unseres Berufs wird stets in zwei schw­er zu hal­tenden Verpflich­tun­gen wurzeln: der Weigerung, wider besseres Wis­sen zu lügen, und dem Wider­stand gegen die Unter­drück­ung.“
Rund die Hälfte des Preis­geldes spendet Camus an eine Selb­sthil­feini­tia­tive spanis­ch­er Anar­chis­ten im Exil, die gegen das Fran­co-Regime gekämpft haben. Mit der anderen Hälfte kauft er sich in der Provence ein kleines Haus. Dort entste­hen große Teile seines auto­bi­ografis­chen Romans „Der erste Men­sch“. Als Albert Camus Anfang 1960 bei einem Autoun­fall stirbt, befind­en sich die Roman­frag­mente im Kof­fer­raum. 1994 wird daraus ein Buch – und ein Wel­ter­folg.“

(WDR, Christoph Vormweg, Gesa Rünker)

Sie kön­nen die Sendung, die am 17.10.2022 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

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