„Als „Tochter aus gutem Hause“ geboren, schrieb sie mit „Das andere Geschlecht“ einen der Grundlagentexte der Frauenbewegung. Mit Sartre lebte sie in einer außergewöhnlichen Beziehung.
„Zweifellos ist es bequemer, in blinder Unterwerfung zu leben, als an seiner Befreiung zu arbeiten. Auch die Toten sind der Erde besser angepasst als die Lebenden.“ Simone de Beauvoir hat nicht nur sich selbst befreit, sondern mit „Das andere Geschlecht: Sitte und Sexus der Frau“ einen der wichtigsten Grundlagentexte der Frauenbewegung geschrieben. 1949 feierte die Schriftstellerin und Intellektuelle mit diesem Buch, das prompt auf dem Index des Vatikans landete, ihren Durchbruch.
Sartre und der Biber
Am 9. Januar 1908 wird Simone in Paris geboren, als „Tochter aus gutem Hause“, wie sie später einen ihrer Memoiren-Bände nennt. Sie studiert Literatur und Philosophie, absolviert die Abschlussprüfung als Zweitbeste. Eine bessere Leistung zeigt nur ihr Studienfreund Jean-Paul Sartre. Die beiden bilden ein Paar, das alle Grenzen des Tradierten sprengt: Ohne Trauschein, ohne Kinder, aber mit einem 1929 geschlossenen Liebes-Pakt. Er sieht sexuelle Freiheit und völlige Offenheit vor, die beide auch nutzen. Simone liebt Frauen und Männer.
Sie leben getrennt, umgehen so das Klein-Klein des Beziehungsalltags in einem gemeinsamen Haushalt. Ein Leben lang siezen sie sich: Sie nennt ihn schlicht „Sartre“, er nennt sie beim Spitznamen aus der Studienzeit „Castor“, zu deutsch Biber – wegen ihrer kreativen Unermüdlichkeit und ihrer geselligen Ader.
Der Existenzialismus
Simone de Beauvoirs Buch „Das andere Geschlecht“ und Sartres Monumentalwerk „Das Sein und das Nichts“ fußen beide auf dem gleichen existentialistischen Grundgedanken: Jeder Mensch hat die Freiheit, sich selbst zu entwerfen in einer absurden Welt. Es gibt keine göttliche Vorbestimmung, am Anfang steht die nackte Existenz, dann erst folgt die Sinngebung. Oder wie Simone de Beauvoir, bezogen auf die Frauenfrage, radikal formuliert: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.“
Der Einfluss von de Beauvoir auf das Denken Sartres kann wohl kaum überschätzt werden. Einen wesentlichen Unterschied gibt es jedoch zwischen beiden Jahrhundertwerken: de Beauvoir ist klarer und verständlicher in ihrer Darstellung. Das charakterisiert auch ihre Prosa. Für den Roman „Die Mandarins von Paris“ erhält sie 1954 renommierten „Prix Goncourt“.
Das Vermächtnis
Sechs Jahre nach Sartre stirbt de Beauvoir am 14. April 1986 in Paris. Zu ihrem Vermächtnis gehören neben ihren Büchern ihre Standhaftigkeit gegen alle Anfeindungen und ihr radikales Denken, das heute noch Frauen und Männer inspiriert.“
(WDR, Christoph Vormweg, Gesa Rünker)
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