Deutschlandfunk Nova „Eine Stunde History“: „Wikinger – Der Überfall auf Lindisfarne 793“
Knapp 160 Jahre blüht das Kloster Lindisfarne friedlich und produktiv vor sich hin. Dann kommen Wikinger zum Plündern auf die Insel – mit diesem Überfall beginnt ihre Zeit.
793 – Lindisfarne eine kleine Insel vor der Nordostküste Englands. Das Eiland ist nah am Festland gelegen, bei Ebbe lässt sich das Festland zu Fuß erreichen. Das keltische Kloster beherrscht den Alltag und das Leben vieler Mönche, die in der Abgeschiedenheit umgeben von der rauen Nordsee leben.
635 ist das Kloster von schottischen Mönchen unter Führung von Aidan von Lindisfarne gegründet worden. Ihm folgt Cuthbert von Lindisfarne als erster Bischof, der als Heiliger verehrt wird. Nach Cuthberts Tod fertigen die Mönche ein Evangelienbuch an, es ist eines der ältesten illustrierten Handschriften, die noch erhalten sind.
Lindisfarne erwirbt sich schnell den Ruf eines Zentrums christlicher Kunst und Kultur. In einer Schreibschule werden begabte Jungen unterrichtet und kunstvolle Schriften hergestellt. Lindisfarne wird Wallfahrtsort und über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Auch bei den in Skandinavien ansässigen Wikingern, die dieses Holy Island am 8. Juni 793 überfallen.
Einen Bericht von diesem Ereignis hat uns der Gelehrte Alkuin hinterlassen: „Noch nie hat sich in Britannien solcher Terror ereignet, wie wir ihn jetzt von einem heidnischen Volk erlitten haben. Wir haben uns auch nicht vorgestellt, dass ein solcher Angriff von See her möglich wäre. Seht, die Kirche des Heiligen Cuthbert, mit dem Blut der Priester Gottes bespritzt, ihres Zierrats beraubt!„
Alkuin macht sich Sorgen um die Sicherheit Englands, denn die Brutalität der Wikinger und die vollständige Missachtung der christlichen Werte lassen Schlimmes für die Zukunft erahnen. Dabei sind die Wikinger weniger auf Eroberung als auf Beute aus. Sie wollen plündern und stehlen und sich dann wieder zurückziehen. Dafür bieten sich Klöster an: Sie stehen meist an entlegenen Teilen der Küste, die Mönche sind unbewaffnet und ihre Klöster oft mit Gold und Silber ausgestattet.Ihr hört in Eine Stunde History:
Der Direktor des Wikinger-Museums in Haitabu Matthias Toplak beschreibt die Wikinger, ihre Strategien und Ziele.
Der Augsburger Historiker Martin Kaufhold erläutert die Bedeutung der Wikinger für Europa und die Geschichte des Kontinents.
Der Filmwissenschaftler Lukas Foerster erklärt, warum Wikinger-Filme so beliebt beim Publikum sind.
Deutschlandfunk Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt auf die Geschichte des Klosters Lindisfarne an der Küste Englands zurück.
Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff schildert den Überfall der Wikinger auf das Kloster Lindisfarne am 8. Juni 793. (Deutschlandfunk)
Sie können die Sendung, die am 2.6.2023 auf Deutschlandfunk Nova lief, über die Seite des Senders nachhören oder als Audiodatei herunterladen.
WDR Zeitzeichen zum Überfall der Wikinger auf die englische Klosterinsel Lindisfarne 793
„Als im Jahr 793 die ersten Segel der Wikingerschiffe am Horizont auftauchen, ahnt keiner der Mönche auf der Klosterinsel Lindisfarne im Nordosten Englands, was ihnen bevorsteht.
Im Morgengrauen des 8. Juni 793 bereiten sich die Mönche im Kloster von St. Cuthbert gerade auf das erste gemeinsame Gebet vor. Plötzlich erscheint am Horizont eine kleine Flotte fremd aussehender Segelschiffe. Wenig später springen schwer bewaffnete Männer von Bord und starten einen Überfall, der die damals bekannte Welt erschüttert.Angriff mit brutaler Gewalt
Die Wikinger erfahren keine Gegenwehr. Blitzartig schlagen die mit Äxten und Lanzen bewaffneten Wikinger zu. Sie plündern die Kirche des berühmten Wallfahrtsortes, ertränken viele Mönche, verschleppen andere als Sklaven: „Nie zuvor ist derartige Gewalt in Britannien erschienen.“ (Alkuin, englischer Berater von Karl dem Großen)Beginn der Wikingerzeit schon vor dem Überfall auf Lindisfarne
Eske Willerslev, Evolutionsgenetiker an der Universität Cambridge, erklärt, dass die Wikingerzeit ziemlich sicher nicht erst mit dem Angriff auf das Kloster St. Cuthbert beginnt.„Wir haben eine große Genomstudie über die Wikinger gemacht, bei der wir von fast 500 Individuen in ganz Europa die DNA sequenziert haben, um zu verstehen, wie die Entwicklung in der Wikingerzeit aussah. Und vor allem, wie sie mit der üblichen Sichtweise, wie wir die Wikinger sehen und wie sie in Filmen und so weiter dargestellt werden, überhaupt zusammenpasst.“Migration nach Skandinavien vor der Wikingerzeit
Die genetischen Daten zeigen, dass es bereits kurz vor der Wikingerzeit in Skandinavien eine „Migration von Menschen aus Südeuropa Richtung Dänemark gab, die dann weitergezogen sind nach Norwegen und Schweden. Wir wissen nicht, wer diese Menschen waren. Wir wissen auch nicht genau, welchen Einfluss sie hatten. Aber es ist schon sehr auffällig, dass das genau vor dem Beginn der Wikingerzeit passiert ist.“Mythos der unbesiegbaren Wikinger
Die Wikinger werden zum Mythos. Nordische Krieger, vermeintlich unbesiegbar mit ihren wendigen Segelschiffen. Sie schlagen meist überraschend zu und verschwinden oft genauso schnell, wie sie gekommen sind.In Sagas nimmt man es mit der Wahrheit nicht so genau
England, Schottland, Irland. Das Frankenreich. Spanien oder Nordafrika. Vor den Nordmännern ist von Ende des 8. bis Mitte des 11. Jahrhunderts kaum jemand sicher.
Der Mythos der unbesiegbaren, blonden, bärtigen und großen Wikinger hält sich seit dem ausgehenden Mittelalter hartnäckig. Dass Wikinger keine Hörnerhelme getragen haben, ist inzwischen bekannt. Genauso ist es mit den fantastischen isländischen Heldenerzählungen über die Großtaten der Wikinger.
In den Sagas, so Eske Willerslev, sei jedes Mal, wenn ein Wikinger gestorben war, „etwas unglaublich Cooles und Wichtiges“, aber auch Unwahrscheinliches geschrieben worden. Die Absicht war, die Wikingerzeit als eine goldene Ära erscheinen zu lassen.Zeitenwende nach dem Tod Harald des Harten
Genauso wenig, wie es einen genauen Anfang der Wikingerzeit gibt, gibt es ein genaues Ende. Das Jahr 1066 markiert aber eine Zeitenwende. Harald der Harte, Wikinger und König von Norwegen, fällt in der Schlacht von Stamford Bridge.
Damit übernehmen in England die Normannen die Macht. Sie sind Nachfahren der Wikinger, die sich einst in der Normandie niedergelassen hatten. Die Wikingerüberfälle hören nach und nach auf.“(WDR, Andrea Kath, Matti Hesse)
Sie können die Sendung, die am 8.6.2023 in der Reihe „ZeitZeichen“ lief, über die Seite des WDR nachhören oder als Audiodatei herunterladen.