„Benito Mussolini beginnt ganz links und endet ganz rechts – als einer der Urväter des Faschismus. Der italienische König, der mehr Angst vor den Sozialisten hat, macht ihn zum Regierungschef.
Benito Mussolini begründet in Italien den Faschismus, sagt Hans Woller, Historiker und Mussolini-Biograf: „Der Faschismus wollte die Schaffung einer homogenen Volksgemeinschaft, wobei Mussolini auf soziale Lockung und auf totalitären Zwang setzte. Und diese Zurichtung der Gesellschaft hatte ein ganz ambitioniertes Ziel: die Erneuerung Italiens zum Zwecke der imperialen Expansion im Mittelmeer, auf dem Balkan und vor allen Dingen auch in Nordafrika, Stichwort Lebensraum im Süden.“
Zunächst ein Linker
Bis zum grellen Duce mit heiserem Geschrei und den Fäusten in die Hüften legt Benito Mussolini einen langen Weg zurück. Er kommt aus bescheidenen Verhältnissen, geboren in der Emilia-Romagna, der Vater leidenschaftlicher Sozialist. Der erstgeborene Benito ist ein intelligenter Schüler. Mit 18 hat er sein Volksschullehrer-Diplom, liest Marx und kennt sich bestens in der linken Szene aus. Ein Mann mit grenzenlosem Geltungsdrang — und ein sozialistischer Hitzkopf.
Mussolini wird 1912 Chefredakteur der sozialistischen Zeitung Avanti. Er warnt 1914 dramatisch vor der Beteiligung Italiens am Ersten Weltkrieg. Drei Monate später die 180-Grad-Wendung. Mussolini ist plötzlich für den Kriegseintritt. Und überwirft sich in dieser Frage mit den Sozialisten.
Bei Kriegsende hat Mussolini nichts, sagt der Historiker Hans Woller. „Er hatte keine Partei, er hatte keine Bewegung hinter sich, aber er hatte ein großes Talent als Redner, als charismatischer Agitator, als der er sich schon in der Sozialistischen Partei bewährt hatte.“
Der sogenannte Marsch auf Rom
„Zu den Waffen. Wir sind Faschisten“ – mit diesem Kampflied ziehen am 28. Oktober 1922 um die 40.000 Schwarzhemden Richtung Rom. Der Historiker Woller: „Gestützt auf also ein riesiges Heer von gewaltbereiten Schlägern, kontrollierten die Faschisten vor dem Marsch auf Rom bereits ganze Provinzen und ganze Regionen Italiens, ehe Mussolini dann im Oktober den Marsch auf Rom befohlen hat.“
Ihr Führer, der Duce Benito Mussolini, fehlt. Statt seine Schwarzhemden zu kommandieren, ist er vorsichtshalber in Mailand geblieben, wartet in einem Hotel ab, wie seine Drohgebärde wirkt. Der Marsch auf Rom kommt allerdings gar nicht in der Hauptstadt an. Mussolinis Faschisten bleiben vor Rom im Schlamm stecken.
Alles hängt jetzt vom König ab. Der zögert und zaudert, weigert sich, den bereits verhängten Ausnahmezustand in Kraft zu setzen. Der Monarch hat mehr Angst vor den Sozialisten als vor Mussolinis Faschisten. Hans Woller, Mussolini-Biograf: „So sehr, dass ihm König und die führenden Kräfte schließlich die Macht übertragen haben, die Macht ausgeliefert haben, kann man auch sagen.“
Der Duce folgt seinen Truppen nach Rom. Nicht zu Fuß, sondern im Nachtzug. Am 30. Oktober 1922 wird er Italiens Regierungschef. Als er Ministerpräsident ist, lässt Mussolini seine Schwarzhemden doch noch in Rom einmarschieren, wo seine Eskalation für 20 Tote sorgt. Alles soll nach Revolution schmecken, nach Machtergreifung. Diese Machtübernahme von ganz rechts wird zum Vorbild für den Weltkriegsgefreiten Adolf Hitler in München.“
(WDR, Heiner Wember, Gesa Rünker)
Sie können die Sendung, die am 30.10.2022 in der Reihe „ZeitZeichen“ lief, über die Seite des WDR nachhören oder als Audiodatei herunterladen.