„Susan Sontag gilt als scharfsinnigste, einflussreichste und streitbarste Intellektuelle der USA. Die Menschenrechtsaktivistin und Kriegsgegnerin lebt im Bosnienkrieg drei Jahre lang im belagerten Sarajewo.
„Es ist meine Aufgabe, die Weltgeschehnisse aufmerksam zu verfolgen. Vielleicht bin ich genau deshalb Schriftstellerin geworden. Man hat eine Art Freibrief und eine ganz besondere Motivation, so viel Leben, so viel Wirklichkeit wie eben möglich aufzunehmen.“ In diesen Sätzen steckt bereits das ganze Leben, Denken und Wirken der US-amerikanischen Ausnahme-Intellektuellen Susan Sontag. Es gibt kaum ein Thema, für das sich die Publizistin, Schriftstellerin und Filmemacherin nicht interessiert.
Die Überfliegerin
Am 16. Januar 1933 wird Susan in New York City geboren. Mit drei Jahren lernt sie lesen, mit fünf wird sie eingeschult. Am zweiten Schultag rückt sie eine halbe Klassenstufe auf, am nächsten eine weitere. Am Ende der ersten Woche geht sie in die dritte Klasse. Ihr Studium der Literatur, Theologie und Philosophie beginnt sie mit 16. Sie heiratet den Soziologen Philipp Rieff, den Vater ihres einzigen Sohns David. Er kommt 1952 zur Welt. Nach einem Forschungsaufenthalt in Oxford und Paris kehrt Sontag in die USA zurück und lässt sich scheiden.
Trash und Hochkultur
Ihren Durchbruch hat die freie Schriftstellerin und Publizistin 1964 mit „Anmerkungen zu Camp“ – einem Codewort der schwulen Subkultur und eine Haltung, die es Intellektuellen erstmals erlaubt, etwa Kitsch und Trash ironisch zu genießen. Sontag kann dies problemlos mit ihrer geliebten Hochkultur vereinbaren. Ihr scharfsinniger Verstand, ihre brillanten Analysen und ihre Wortgewalt machen sie zur angesehenen Intellektuellen. Sie verkehrt mit Hannah Arendt, Herbert Marcuse, Jean-Paul Sartre und Allen Ginsberg.
Aber auch als konsequente Menschenrechtsaktivistin ist Sontag aktiv. Getreu ihrem Motto, nicht über Länder zu schreiben, die sie nicht kennt, reist die Gegnerin des Vietnam-Kriegs 1968 nach Hanoi. Während des Bosnienkriegs lebt Sontag in der von serbischen Milizen belagerten Stadt Sarajewo und inszeniert dort 1993 Becketts „Warten auf Godot“.
Der Kampf gegen den Krebs
Sontag hat in ihrem Leben Liebesbeziehungen mit Männern und Frauen. In den letzten Lebensjahren ist die renommierte US-Fotografin Annie Leibovitz an ihrer Seite. Der unbändige Lebenshunger, den David Rieff seiner Mutter bescheinigt, wird am 28. Dezember 2004 abrupt beendet. Susan Sontag verliert im Alter von 71 Jahren den Kampf gegen die Leukämie.“
(WDR, Almut Finck, Matti Hesse)
Sie können die Sendung, die am 16.1.2023 in der Reihe „ZeitZeichen“ lief, über die Seite des WDR nachhören oder als Audiodatei herunterladen.