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SWR2 Wissen: „Latein als Schulfach – Das Potenzial der alten Sprache“

Logo SWR2 bei Wikimedia Commons„Das Schul­fach Latein hat nicht den besten Ruf. Doch die alte Sprache bastelt an ein­er neuen Zukun­ft. Weniger elitär, mehr Geschichte und All­t­ag. Welch­es Poten­zial steckt in Latein?

Warum Lat­inum? Latein muss sich im Lehrplan oft recht­fer­ti­gen
Der Latei­n­un­ter­richt wird von vie­len Schulkindern und ihren Eltern arg­wöh­nisch betra­chtet: Wofür diese tote Sprache ler­nen? Mit Franzö­sisch oder Englisch lassen sich weite Teile der Welt bereisen und im Medi­zin-Studi­um hil­ft heute Google mehr als ein Lat­inum.
Die Mei­n­un­gen zum Fach Latein gehen weit auseinan­der. Eine Twit­ter-Umfrage von SWR2 Wis­sen macht das deut­lich: Manche teilen gute Erin­nerun­gen, für andere bedeutet Latei­n­un­ter­richt nur Frust und Langeweile.

Har­ry Pot­ter statt Cicero: Mod­erne Fan­ta­sy-Romane machen Lust auf antikes Latein
Dass viele Latein-Klis­chees inzwis­chen über­holt sind, zeigt ein Besuch in der Schulk­lasse von Michael Stier­stor­fer.
Latein ist so viel mehr als Gram­matik und Vok­a­beln pauken, schwärmt der Lehrer von der Vielfalt seines Fachs. Denn der Latein-Unter­richt ver­mit­telt weit mehr als nur die Sprache, als Kul­tur­fach gibt er auch einen Ein­blick in die Lebens- und Denkweise der alten Römer.
Allerd­ings kann er dur­chaus ver­ste­hen, warum viele Schulk­lassen bei antiken Klas­sik­ern auf­stöh­nen. Kinder und Jugendliche begeis­tern sich eben mehr für Fan­ta­sy-Romane und zeit­genös­sis­che Texte. Deshalb ste­ht bei Stier­stor­fer neben Seneca und Cäsar noch was ganz anderes auf dem Pro­gramm: Har­ry Pot­ter oder Per­cy Jack­son, ins Lateinis­che über­set­zt.
Weil es mehr Spaß macht, Zauber­sprüche zu entschlüs­seln als römis­che Kampf­s­trate­gien zu über­set­zen, haben Michael Stier­stor­fer und Markus Jan­ka Teile von Suzanne Collins Roman-Trilo­gie „Die Trib­ute von Panem“ ins Lateinis­che über­set­zt.

Von wegen tot: Latein über­all in unserem All­t­ags-Wortschatz ver­steckt
Sehr viele Sprachen haben sich aus dem Lateinis­chen entwick­elt. Am deut­lich­sten erken­nt man das an Ital­ienisch, Spanisch und Franzö­sisch, soge­nan­nten roman­is­chen Sprachen. Deshalb fällt es einem deut­lich leichter, diese Sprachen zu ler­nen, wenn man vorher schon Latein hat­te. Das erk­lärt der Philologe Peter Kuhlmann von der Uni­ver­sität Göt­tin­gen.
Und auch Deutsch wurde von der lateinis­chen Sprache bee­in­flusst: Akkusativ, Dativ, Gen­i­tiv – deutsche Sätze fol­gen der­sel­ben gram­matikalis­chen Logik wie Latein. Außer­dem haben viele unser­er All­t­agswörter lateinis­chen Ursprung. Adventskalen­der, zum Beispiel, kommt von Adven­tus, lateinisch für die Ankun­ft.
Von der großen Bedeu­tung des Lateinis­chen in unser­er alltäglichen Sprache ist auch Ingo Grabowsky überzeugt. Er ist Leit­er der Ausstel­lung „Latein – tot oder lebendig“ im Kloster Dal­heim, in der Nähe von Pader­born: „Wenn wir Deutsch reden, dann reden wir in ein­er Sprache, die nicht nur durch Fremd­worte vom Lateinis­chen bee­in­flusst ist, son­dern die in der ganzen Struk­tur so ent­standen ist, weil es das Lateinis­che gibt und die sich sozusagen am Lateinis­chen ori­en­tiert hat bis heute. Insofern ist aus mein­er Sicht Latein auf jeden Fall lebendig.“

Schul­forschung zeigt: Latein unter­stützt beim Deutsch ler­nen
Diese sprach­liche Ver­wandtschaft inter­essiert auch die Schul­forschung zunehmend. Denn was in Latein ver­mit­telt wird, kön­nte Schü­lerin­nen und Schülern auch im Deutsch-Unter­richt helfen. So erle­ichtert die lateinis­che Satz-Struk­tur den Umgang mit gram­matikalis­chen Fällen im Deutschen, der gemein­same Wortschatz unter­stützt bei der Rechtschrei­bung.
Davon prof­i­tieren ins­beson­dere Kinder, deren Mut­ter­sprache nicht Deutsch ist. Das kon­nten erste Prax­is­tests an Schulen bere­its zeigen.

Pan-europäis­ches Inte­gra­tions­fach: Latein ver­mit­telt gemein­same Geschichte
Im Latei­n­un­ter­richt steckt also viel mehr als nur ein reines Sprach­fach. So ent­deckt die Schul­didak­tik dessen Poten­zial, mehrere Diszi­plinen in sich zu vere­inen.
Weil prak­tisch ganz Europa während der Antike unter dem Ein­fluss der Römer stand, öffnet uns ihre Sprache die Ursprünge der europäis­chen Lit­er­atur, der europäis­chen Kul­tur und des europäis­chen Denkens.
Auf diese Weise verbindet Latein über Län­der­gren­zen hin­weg. Diese inte­gri­erende Eigen­schaft ist sehr wertvoll, vor allem in Zeit­en, in denen viel von Krise und gesellschaftlichem Zer­fall die Rede ist.“
(SWR, Lukas Mey­er-Blanken­burg, Justi­na Bret­zel, Can­dy Sauer)

Sie kön­nen die Sendung, die am 1.12.2023 in der Rei­he „SWR2 Wis­sen“ lief, über die Seite des SWR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden. Es gibt auch ein Manuskript zur Sendung.

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