Der Kampf des russischen Volkes gegen die despotische Zarenherrschaft dauert fast 100 Jahre. Vera Figner ist die Strategin hinter dem Attentat auf Zar Alexander II., bei dem er stirbt. Dafür wird Vera Figner 1884 zu lebenslanger Zwangsarbeit in der berüchtigten Festung Schlüsselburg verurteilt. 1904 wird sie begnadigt, jedoch nicht in die Freiheit entlassen.
„Sie werden gewiss verstehen, meine Herren: Es ist besser, die Leibeigenschaft von oben abzuschaffen, als zu warten, bis sie sich selbst von unten abschafft.“
So begründet der russische Zar Alexander II. 1861 die Abschaffung des jahrhundertealten, grausamen Systems der Leibeigenschaft. Die Reformen helfen den Bauern jedoch kaum.Vera Figner ist damals 9 Jahre alt. Sie wächst mit drei Schwestern und zwei Brüder in einer adligen, wohlhabenden Gutsbesitzerfamilie auf. Sie liest sehr viel, vor allem sozialkritische Romane über das schwere Los der russischen Bauern. Beim Studium in der Schweiz gerät sie in revolutionäre Zirkel. Zusammen mit hunderten jungen Intellektuellen zieht sie bis in die entlegensten Dörfer Russlands, um den Bauern zu helfen.
Doch der „Gang ins Volk scheitert“ am Misstrauen der Bauern. Die Geheimpolizei von Zar Alexander II. reagiert mit Massenverhaftungen und öffentlichen Schauprozessen. Und die revolutionäre Bewegung antwortet ebenfalls mit Gewalt.
Eine Handvoll Revolutionäre gründet das Exekutivkomitee der Narodnaja Volja („Volkswille“). Mit dabei ist Vera Figner. Drei Attentate der Gruppe auf den Zaren misslingen, das vierte kostet Alexander II. das Leben. Vera Figner wird 1884 zu lebenslanger Zwangsarbeit in der berüchtigten Festung Schlüsselburg verurteilt. 1904 wird sie begnadigt und unter Polizeiaufsicht in den hohen Norden ans Weiße Meer verbannt. 1917 wird sie amnestiert und leitet noch viele Jahre das „Komitee zur Hilfeleistung für befreite Sträflinge und Verbannte“.
In diesem Zeitzeichen erzählt Marfa Heimbach:
- warum Vera Figner ihre Kindheit als „Kasernenatmosphäre“ beschreibt,
- warum ihre einzige Ehe nach nur drei Jahren scheitert,
- warum sich eine adlige Gutsherrentochter radikalisiert und zur Terroristin wird,
- wieso Figner nach dem Zarenattentat nicht hingerichtet wird.
Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartnerinnen:
- Prof. Dr. Anke Hilbrenner (Osteuropahistorikerin, Universität Düsseldorf)
- V. Figner: Nacht über Russland, Hamburg 1988
- A. Hilbrenner: Gewalt als Sprache der Straße. Terrorismus und die Suche nach emotionaler Gemeinschaft im Russischen Reich vor 1917, Stuttgart 2022
- S. Rindlisbacher: Leben für die Sache. Vera Figner, Vera Zasulič und das radikale Milieu im späten Zarenreich, Wiesbaden 2014
Weiterführende Links:
- Zeitzeichen 29.04.1818: Geburtstag von Zar Alexander II.
- Stichtag 23.02.1918: Rote Armee in Russland gegründet
(WDR, Marfa Heimbach, Matti Hesse)
Sie können die Sendung, die am 29.09.2024 in der Reihe „ZeitZeichen“ lief, über die Seite des WDR nachhören oder als Audiodatei herunterladen.
WDR ZeitZeichen zu Vera Figner
from
22. November 2024
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