Nervige Raupen
Wenn sich in diesen Tagen Münsteraner die Augen reiben oder am Kopf kratzen, sind das weniger Zeichen großer Verwunderung, sondern eher die Folgen eines Aufenthaltes in der Nähe von Bäumen – speziell Eichen. Die Eichenprozessionspinner sind los und zwar in so ungeahnten Mengen, dass Freiluftspektakel zum Gesundheitsrisiko werden können. Tägliche Medienberichte zeugen davon. Die komplizierte Raupenbekämpfung läuft bereits seit dem letzten Sommer auf Hochtouren.
Unsere niederländischen Nachbarn sind mittlerweile auf ein natürliches Gegenmittel gegen die haarigen Raupen gestoßen, wie man Presseberichten entnehmen kann. Sie setzen auf Meisen, die ihre Brut mit den lästigen Raupen füttern und hängen daher in großem Stil Nistkästen auf, um den Vögeln das Brutgeschäft zu erleichtern.
Dass Raupenabwehr durch Fressfeinde keine wirklich neue Erkenntnis ist, bezeugt ein 190 Jahre alter Zeitungsartikel, den man im Portal zeit.punktNRW nachlesen kann. In den „Beiblättern zu den Allgemeinen Unterhaltungsblättern“, in der Nummer 13 vom 1. Juli 1829 beschreibt ein anonymer Verfasser in dem Artikel „Raupen und Sperlinge“ eine riesige Eichenprozessionspinner-Plage in Westfalen und Rheinland. Der Verfasser betont die Nützlichkeit der Vögel zur Raupenbekämpfung und prangert die damals übliche Jagd auf Sperlinge an. Es wurden sogar Kopfprämien für getötete Sperlinge gezahlt, weil diese als nutzlose Getreidevertilger galten.
Der Appell des Verfassers:
Im Frühlinge haben sie gearbeitet und gutes Werk gefördert, zahllose Raupen getilgt; gönnt ihnen drum auch einige von den vielen, durch ihre Sorgfalt und Mühe geretteten Früchte. „Dem Ochsen, der da drischt, soll man das Maul nicht verbinden!“ Bedenkt doch dieses Sprüchlein.
Drum schließt wieder ein neues Bündniß mit den alten treuen Bundesgenossen. TOD DEN SPERLINGEN! ist ein verderblicher Aufruhrsaufruf, vertauscht ihn mit TOD DEN RAUPEN! und laßt die Sperlinge leben. Zahlt lieber einen Silbergroschen aus eurem Beutel, statt daß ihr einem armen Spatze das Lebenslicht ausblast.
Birgit Heitfeld-Rydzik