Alexander Haindorf: Sammler und Reformer für die Emanzipation der Juden in Deutschland
Selig Louis Liepmannsohn: Zehn Gebote des Bundes oder die sogenannten zehn Gebote für Jung und Alt, besonders für den Religionsunterricht in israelischen Schulen. – Lemgo 1840. Link zum Digitalisat
Alexander Haindorf wurde am 2. Mai 1784 als Sohn jüdischer Eltern in Lenhausen geboren. Nach dem Tod seiner Mutter, musste Haindorf nach Hamm zu seiner Großmutter umsiedeln. Im Anschluss an den Besuch des Gymnasiums in Hamm studierte er an den Universitäten Würzburg, Jena, Bamberg und Heidelberg die Fächer Medizin, Philosophie, Geschichte und Literatur. Nach der Promotion legte Haindorf 1811 seine Habilitationsschrift „Versuch einer Pathologie und Therapie der Gemüts- und Geisteskrankheiten“ vor. Als erster jüdischer Privatdozent lehrte Haindorf an der Universität Heidelberg, bevor er sich 1812 auf eine Studienreise nach Frankreich begab, von der er erst zwei Jahre später zurückkam. Nach seiner Rückkehr hielt Haindorf Vorlesungen zur Anthropologie, Psychologie und Medizin an der Universität Göttingen. Anschließend arbeitete er als Militärarzt in Wesel, bevor er nach Münster ging, wo er sich in besonderer Weise für die jüdische Bevölkerung einsetzte.
Haindorfs Engagement für die jüdische Kultur
Zusammen mit seinem Schwiegervater trat Haindorf 1822 dem Berliner liberal-reformierten „Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden“ bei. Drei Jahre später gründete er in Anlehnung an den Mindener „Verein zur Förderung von Handwerk unter den Juden“ einen Zweigverein in Münster, den er um eine Schule rweiterte (Böhme/Kraus, S. 28). Ziel des Vereins war es in erster Linie eine Verbesserung des jüdischen Bildungswesens zu erreichen. Dabei sollte sowohl die soziale Schicht als auch die Konfessionalität und das Geschlecht der Kinder eine untergeordnete Rolle spielen. 1836 waren knapp 45.000 Mitglieder in dem Verein registriert, was sich auch durch die Vereinserweiterung erklären lässt. Der Münsteraner Verein dehnte seinen Zuständigkeitsradius ausgehend von Westfalen bis in die Rheinprovinz aus und wurde fortan „Verein für Westfälische und Rheinprovinz zur Bildung von Elementar-Lehrern und Künsten unter den Juden“ genannt. Sowohl die Elementarschule als auch das Lehrerseminar galten als fortschrittlich: In der Schule unterrichteten sowohl christliche als auch jüdische Lehrer allgemeinbildende Fächer. Haindorf befürwortete den gemeinsamen Unterricht von Jungen und Mädchen und war offen für neue pädagogische Theorien, wie beispielsweise der Spieltriebtheorie Fröbels. Fast 17 Jahre nach der Gründung des Vereins wurde diesem die rechtliche Anerkennung für die Elementarschule zugesprochen, der ein langjähriger Verwaltungsprozess folgte. Als Haindorf am 16. Oktober 1862 verstarb, übernahm sein Schwiegersohn Jacob Loeb die Geschäftsführung des Vereins. 1866 ging der Verein in die Marks-Haindorf Stiftung über, die allerdings 1940 mit der Zwangsüberführung der jüdischen Schulen in die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ beendet wurde.
Die Bibliothek Haindorf / Sammlung Loeb Böhme
Alexander Haindorf setzte sich nicht nur für die Bildung im Allgemeinen, sondern im Besonderen für die Integration der jüdischen Bevölkerung in Deutschland ein. Dies spiegelt sich auch in seiner großen und umfassenden Bibliothek wieder. Die Bibliothek Alexander Haindorf / Sammlung Loeb Böhme wurde 2012 von seiner Urururenkelin Helga Böhme an die ULB Münster übergeben. In der Sammlung sind neben Werken aus dem Bereich der Medizin, der Naturwissenschaften, der Geschichte und Philosophie auch die Bereiche Theologie, Jurisprudenz, Ökonomie, Staats- und Kameralwissenschaften sowie Hebraica und Judaica vertreten. Da sich Haindorf besonders mit dem Leben jüdischer Bürger in Deutschland befasste, ist es nicht verwunderlich, dass sich zahlreiche Bände mit dieser Thematik auseinandersetzen. Bei einem großen Teil dieser Schriften handelt es sich um schmucklose Broschüren, die sich mit der Tagespolitik befassen. Ein besonderes Beispiel ist die von Selig Louis Liepmannssohn 1840 in Lemgo gedruckte Broschüre Zehn Worte des Bundes oder die sogenannten zehn Gebote für Jung und Alt, besonders für den Religions-Unterricht in israelischen Schulen. Auf insgesamt 19 Seiten werden in Anlehnung an die zehn Gebote Gottes auf Deutsch und Hebräisch sowohl Regeln für den Unterricht als auch für die Beziehung der Menschen untereinander vorgestellt.
Gedruckt wurde die Broschüre von der Meyerschen Buchdruckerei in Lemgo über die bis zur Übersiedlung nach Detmold 1842 ein kurzer Überblick gegeben werden soll. Neben Hebraica wurden dort auch Korane gedruckt, wodurch die Buchdruckerei sich gegenüber anderen Druckereien abheben konnte. Am 12. Juni 1664 gründeten die Brüdern Albert und Heinrich Meyer ihre Druckerei, die sich zunächst zu einem florierenden Geschäft entwickelte. Durch ein vom Landesherren Graf Simon Heinrich zu Lippe 1676 ausgestelltes Privileg wurde sowohl Albert Meyer als auch seinen Nachkommen zugesichert, dass alle in der Grafschaft benötigten Gesangsbücher, Leichpredigten und Kalender von Meyer gedruckt werden sollen. Trotz des Privilegs beschwerte sich Heinrich Meyer um 1711 über die Konkurrenz eines Detmolder Druckers namens Caspar. Nachdem die männliche Linie der Lemgoer Druckerfamilie ausgestorben war, wurde das Geschäft über die am 01. Januar 1740 geborene Margarethe Elisabeth Meyer fortgeführt. Durch ihre Heirat mit dem 15 Jahre älteren Christian Friedrich Helwing stieg dieser in das Buchbindergeschäft ein. Die zunehmende Konkurrenz unter den Buchdruckern führt unter anderem dazu, dass 1842 die Druckerei nach Detmold übersiedelte; der erhoffte Erfolg blieb jedoch zunächst aus.
Literaturhinweise
BÖHME, Helga / KRAUS, Juliane: Ein Vermächtnis. Die Bibliothek Alexander Haindorf, Sammlung Loeb Böhme, Neuss, Mühlheim an der Ruhr 2013